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Ableismus: So vermeidest du, behinderte Menschen zu diskriminieren

  • Veröffentlicht: 11.07.2022
  • 20:45 Uhr
  • Alena Brandt

Ableismus bewertet Menschen danach, was sie vermeintlich können - oder nicht: "Du kannst ja super Treppen steigen trotz deiner Blindheit." Klingt wie ein Kompliment, diskriminiert aber. Wie du Klischees erkennst und Menschen mit und ohne Behinderung gleich behandelst.

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Das Wichtigste zum Thema Ableismus

  • Ableismus wertet Menschen mit Behinderung ab, indem er sie auf ihre Beeinträchtigung reduziert. Das wirkt im Alltag oft verletzend.

  • Die US-amerikanische Behindertenbewegung prägte den Begriff für diskriminierendes Verhalten. Ableismus leitet sich vom Englischen "to be able" ab . Das bedeutet "fähig sein".

  • Du sprichst das Wort auch wie im Englischen aus: also "Äi-bel-is-mus.

  • Ableismus zeigt sich oft in der Sprache. Zum Beispiel: Aussagen, dass Menschen trotz oder wegen ihrer Behinderung etwas tun oder nicht tun. Wusstest du, dass die leichte Sprache Menschen mit einer geistigen Behinderung helfen kann, Sachverhalte besser zu verstehen?

  • Oft wirken dabei Klischees. Wie du dir diese bewusst machst und was du gegen die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung tun kannst, das erfährst du hier. Vom 17. bis zum 25. Juni finden in Berlin die 16. Special Olympics World Games statt.

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Wie sich Ableismus anfühlt

Auf Twitter berichten betroffene Menschen, wie sich Ableismus anfühlt und wie er sich äußert.

#wasabledssagen

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#ableismtellsme

Interview mit Dr. Sigrid Arnade: ISL-Sprecherin für Gender und Diversity

Warum ist es wichtig, sich mit Ableismus zu beschäftigen?

💬 Ableismus ist verbreiteter als man denkt. Jeder Mensch hat bewusste und unbewusste Denkmuster und Vorurteile. Im Alltag kann ich durch Verhalten und Sprache schnell jemandem mein Stereotyp überstülpen – und die Person dadurch verletzen. Das passiert im Sexismus gegenüber dem Geschlecht, in Bezug auf Herkunft und Äußeres sprechen wir von Rassismus und in Bezug auf Menschen mit Behinderung heißt es Ableismus.

Das heißt, jede Person kann sich ableistisch verhalten – auch unbewusst?

💬 Ja – egal, ob man eine Behinderung hat oder nicht. Es gibt auch einen verinnerlichten Ableismus. In dem Fall werten sich Menschen mit Behinderung selbst ab, was bis zum Selbsthass gehen kann. Dann hilft es erst recht, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Wenn ich Ableismus durchschaue, kann ich mich oft auch selbst wieder besser annehmen.

Auch Komplimente können diskriminierend sein. Kennen Sie ein Beispiel?

💬 Ich bin selbst Rollstuhlfahrerin und kenne es gut aus meinem früheren Arbeitsleben als Journalistin und ISL-Geschäftsführerin. Oft kamen Kollegen und Kolleginnen zu mir und sagten bewundernd: Toll, wie du das alles schaffst. Dabei arbeiteten sie das gleiche und waren auch im ähnlichen Alter. Warum mussten sie die Leistung bei mir hervorheben? Durch so eine Art von Bewunderung stellt man sich automatisch über die andere Person. Denn man behandelt sie nicht gleichwertig.

Was kann ich tun, wenn ich merke, dass ich mich unpassend ausgedrückt habe?

💬 Aus meiner Erfahrung heraus ist es gut, offen damit umzugehen. Ich selbst bin ja auch nicht sicher davor. Ich habe schon einmal gegenüber einer Bekannten am Telefon gesagt, dass sie sich bestimmt schon die Finger wund gewählt habe, um mich zu erreichen. Die Freundin hat aber keine Arme. Ich bemerkte meinen Fehler und sagte: Oh, war das jetzt verkehrt? Wie ist das für dich? Für sie war es völlig okay. Ich als Rollifahrerin sage auch, dass ich noch ins Konzert gehe. Obwohl ich natürlich nicht wörtlich gehe. Aber wie das empfunden wird, ist eben von der Person abhängig.

❓ Wer ist Dr. Sigrid Arnade?

💬 Dr. Sigrid Arnade spricht für die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben Deutschland e.V. (ISL)

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Ein Beispiel für Ableismus im Alltag

👩‍🦽 Anna wartet zur Rush Hour nach der Arbeit an der Haltestelle auf den Bus. Sie sitzt im Rollstuhl.

😠 Die Busfahrerin fragt genervt, ob das denn sein müsse. Mit dem Rollstuhl. Zu dieser Zeit. Sie müsse extra die Rampe runterfahren.

🤷‍♀️ Anna erklärt, dass sie von der Arbeit komme und nicht zum Vergnügen Bus fahren wolle.

💬 Die Busfahrerin ändert ihr Verhalten, lächelt und macht eine anerkennende Bemerkung. Wie toll es sei, dass Anna arbeiten ginge.

❗ Achtung! Hinter dem vermeintlichen Kompliment steckt ein Klischee: Nämlich, dass Anna als Rollstuhlfahrerin nicht arbeiten geht.

😐 Das Beispiel zeigt: Beleidigung oder Lob - beides kann verletzen. Anna wird nicht neutral behandelt. Sie muss sich rechtfertigen für das, was sie tut.

📖 Das Beispiel stammt aus der Broschüre: Ableismus erkennen und begegnen. Erstellt von der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben e.V. (ISL). Dort findest du weitere Infos rund ums Thema.

So erkennst und vermeidest du ableistische Formulierungen

Was darf ich eigentlich sagen - und was sind Beispiele für Ableismus? Kurz erklärt.

Das solltest du nicht sagen gegenüber Menschen mit Behinderung:

"Ich mache das schnell für dich."

➡️ Menschen mit Behinderung eine Tätigkeit ungefragt abnehmen, kann respektlos sein. Damit nimmst du der Person ihre Selbstständigkeit. Ein blinder Mensch muss beispielsweise fühlen, wo die Kaffeetasse ist, bevor er einschenkt. Das dauert etwas länger - trotzdem ist es möglich.

"Man sieht dir nicht an, dass du krank bist"

➡️ Menschen mit Behinderung sind nicht automatisch krank. Sie können genauso gesund sein und krank werden wie andere Menschen.

"Toll, wie du trotz Behinderung alles meisterst"

➡️ Bei Sätzen mit "trotz" und "wegen" Behinderung gilt: aufpassen. Solche Formulierungen laufen meistens auf eine Ungleichbehandlung hinaus.

"Menschen mit besonderen Bedürfnissen"

➡️ Die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung sind nicht besonders. Es sind einfach Bedürfnisse.

"Für die Invaliden"

➡️ Invalide bedeutet krank und schwach. Es ist ein abwertender Begriff, kein neutraler.

"Mach mal Platz für den Rollstuhl"

➡️ Manchmal wird eine Person mit ihrem Hilfsmittel gleichgesetzt - und damit objektiviert. Bessere Formulierung: Rollstuhlfahrer/in, Mensch im Rollstuhl.

"Hey, du"

➡️ Menschen mit Behinderung werden oft einfach geduzt. Damit stellt sich die andere Person über sie.

Besonders langsam sprechen oder wie mit einem Kind sprechen

➡️ Erfahren oft Menschen mit Lernschwierigkeiten. Besser: Normal und authentisch sprechen.

"Die Taubstumme/ der Taubstumme"

➡️ Gehörlos ist der bessere Begriff. Nicht jeder gehörlose Mensch ist stumm.  Und es gibt Gebärden- und Lautsprache.

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Galileo

Gebärden-Dolmetscherin auf Konzert (Version für Hörgeschädigte mit UT)

Was man mit Gehörlosen definitiv nicht verbindet: Tanzen zu Musik. Eine HipHop-Gruppe beweist das Gegenteil. Bis auf zwei der Tänzer kann hier keiner hören. Auch die Lehrerin nicht. Aber wie geht das? Und warum gehen diese Gehörlosen auch noch auf ein Konzert? Wir haben uns diese Fragen gestellt - und haben die Antwort!

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Darf ich dich behindert nennen?

Das meint Dr. Sigrid Arnade, sie selbst ist Rollstuhlfahrerin:

"Es kommt darauf an, wie man das Wort benutzt. Als Schimpfwort sollte man es vermeiden. Denn sonst macht man aus einem neutralen Begriff eine Beleidigung.

Ich selbst habe kein Problem damit, als behinderte Frau bezeichnet zu werden. Das Wort schließt ein, dass ich eine Behinderung habe - aber auch behindert werde von der Gesellschaft. Das kommt etwa vor, wenn es nur Stufen gibt bei einem Gebäude und ich nicht hineinkomme. Oder wenn sich jemand ableistisch mir gegenüber äußert.

Ich empfinde das Wort "behindert" als neutral. Natürlich geht es nicht allen Menschen so. Im Zweifel gilt auch hier: nachfragen, was okay ist."

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