Bruderhahn, Zweinutzungshuhn: Wie das Kükentöten gestoppt werden soll
- Veröffentlicht: 15.02.2022
- 20:00 Uhr
- Galileo
Bisher wurden in Deutschland jährlich mehr als 40 Millionen Küken kurz nach dem Schlüpfen getötet. Es waren die "Brüder" der Legehennen, die sich weder zum Eierlegen noch als Masthähnchen eignen. Doch nun gibt es ein neues Gesetz und zahlreiche Alternativen, um das Kükentöten zu stoppen.
Das Wichtigste zum Thema Kükentöten
Bisher wurden in Deutschland jährlich mehr als 40 Millionen Küken kurz nach dem Schlüpfen getötet.
Dabei handelte es sich um die Brüder der weiblichen Küken und späteren Legehennen.
Nun wurde das Kükentöten endlich gestoppt: Der Bundestag hat dazu 2021 ein neues Gesetz verabschiedet - demnach dürfen seit dem 1. Januar 2022 in Deutschland keine Küken mehr getötet werden. Mehr zu Alternativen und Initiativen zum Schutz männlicher Hühner zeigen wir hier.
Wieso werden Küken getötet?
🐣 Typische Begründung: Nur weibliche Küken eignen sich zum Eierlegen.
🐥 Aber auch zur Mast eignen sich die Brüder der Legehennen nicht. Der Grund: Hühner wurden im Verlauf der Zeit gezielt so gezüchtet, dass sie entweder möglichst viele Eier legen oder möglichst viel Fleisch ansetzen - nicht beides.
💰 Einen Hahn durchzufüttern, der weder Eier legen noch schnell Fleisch liefern kann, ist aus Sicht der Agrarindustrie nicht rentabel.
🐤 Die Folge: Frisch geschlüpfte männliche Küken werden massenhaft getötet. In der Regel werden sie in einem zweistufigen Verfahren erst mit Kohlenstoffdioxid betäubt und anschließend mit einer höheren Dosis des Gases getötet.
🐍 Häufiges Argument der Geflügelbetriebe: Die Küken sterben nicht umsonst, sondern werden als Tierfutter verkauft. Vor allem Raubtiere wie Greifvögel und Schlangen, aber auch Haustiere wie Katzen und Frettchen fressen die Küken.
Ein neues Gesetz stoppt das Kükentöten
Schon 2016 forderten die Grünen im Bundestag, das Kükentöten zu verbieten - der Antrag wurde abgelehnt. 2019 beschloss dann das Bundesverwaltungsgericht, dass das systematische Töten männlicher Küken nur noch übergangsweise erlaubt ist.
Seit Anfang 2022 ist tatsächlich Schluss mit dem millionenfachen Töten männlicher Küken aus wirtschaftlichen Gründen. Der Bundestag hatte bereits am 20. Mai 2021 ein entsprechendes Gesetz verabschiedet.
Demnach werden in Deutschland nun alternative, technische Verfahren eingesetzt, um das Geschlecht im Brutei zu erkennen und männliche Küken gar nicht erst schlüpfen zu lassen. Stattdessen sollen männliche Embryos bereits im Ei identifiziert, "aussortiert" und zu Tierfutter verarbeitet werden.
Ab 2024 verschärft sich zudem die Gesetzeslage weiter. So ist die Geschlechtsbestimmung dann nur noch bis zum 6. Bruttag erlaubt. Das soll sicher ausschließen, dass Hühner-Embryos im Ei Schmerzen empfinden können. Jedoch existiert bislang noch keine Methode für derartige Früherkennungs-Verfahren. Bislang schaffen alle marktreifen Verfahren eine Geschlechtsbestimmung im Ei nur im Zeitraum zwischen dem 9. und 15. Bruttag.
Kritiker:innen halten allerdings nicht viel von den Beschlüssen. Küken nicht nach dem Schlüpfen zu töten, sondern kurz davor, sei eine "Scheinlösung", so ihr Vorwurf.
Geschlechtsbestimmung im Ei: So funktioniert das Verfahren
Als eine Alternative zum Kükentöten gilt die Vorab-Geschlechtsbestimmung im Ei, auch "In-ovo-Geschlechtsbestimmung" genannt. Hierbei wird schon vorher überprüft, ob aus dem Ei ein weibliches oder männliches Huhn schlüpfen wird. Das Bebrüten männlicher Küken wird frühzeitig abgebrochen und die Eier - wie auch unbefruchtete Eier - werden zu Futtermittel verarbeitet. Die weiblichen werden weiter ausgebrütet, die Küken schlüpfen am 21. Bruttag.
🥚 Spektroskopisches Verfahren: Hierbei werden die Eier etwa 4 Tage lang bebrütet. Dann wird ein spezieller Lichtstrahl in das Ei-Innere geschickt. Durch eine Analyse des reflektierten Lichts wird das Geschlecht bestimmt.
🥚 Endokrinologisches Verfahren: Hier werden die Eier etwa 9 Tage lang bebrütet. Von jedem Ei wird etwas Flüssigkeit gewonnen, ohne dass dabei das Ei-Innere beschädigt wird. Anhand dieser Proben wird das Geschlecht mit einem biotechnologischen Verfahren innerhalb kurzer Zeit bestimmt.
Bundeslandwirtschaftsministerium erklärt In-ovo-Geschlechtsbestimmung
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Sind Supermarkt-Eier frei von Kükentöten?
Seit November 2018 kannst du im Supermarkt Eier von Hennen kaufen, die mit Hilfe der Geschlechtsbestimmung ohne Kükentöten gezüchtet wurden.
Nach der Gesetzesverabschiedung im Sommer 2021 kündigte diversen Supermarktketten und Discounter schnell an, vom 1. Januar 2022 an keine Eier von "kükentötenden" Produzenten mehr zu verkaufen. Tatsächlich richteten auch die meisten Supermärkte ihr Sortiment zum Jahreswechsel danach aus - jedoch fast nur bei frischen Eiern.
In verarbeiteten Produkten können oft Eier aus dem Ausland stecken, wo Kükentöten noch legal ist und praktiziert wird. Auch bei Eiern von Bauernmärkten und Hofläden kann es sein, dass die Legehennen nicht in Deutschland geschlüpft sind und ihre Brüder in den Herkunftsländern getötet wurden. Wenn du also ganz sichergehen willst, solltest du bei Fertigprodukten und gewissen Händler:innen immer nachfragen.
Läden wie Aldi, Kaufland, Lidl, Edeka und Rewe machen mit dem Logo "ohne Kükentöten" darauf aufmerksam, dass für ihre Schaleneier keine männlichen Küken mehr vergast werden.
Die Rewe Group verkauft bundesweit in vielen Rewe- und Penny-Märkten spezifische "Respeggt-Eier". Bei diesen werden per "Seleggt"-Verfahren männliche Embryos nach dem 9. Tag in der Brüterei aussortiert. Die 6er-Eierpackungen sind mit den Schlagworten "respeggt" und "ohne Kükentöten" gekennzeichnet.
Der Discounter Aldi gibt an, dass für seine Eier unter anderem das "PLANTegg-Verfahren" angewendet wird. Dazu werden ebenfalls am 9. Bruttag anhand einer DNA-Analyse die Geschlechter der Embryos analysiert und die männlichen Bruteier aussortiert. Auch diese Eier sind an dem Logo "ohne Kükentöten" zu erkennen.
Doch es gibt auch kritische Stimmen. So sei die Geschlechtsbestimmung keine langfristige Lösung des eigentlichen Problems: der Massentierhaltung.
Bruderhahn und Zweinutzungshuhn: Initiativen gegen das Kükentöten
Bruderhahn
Die Bruderhahn Initiative Deutschland (BID) wurde 2013 gegründet. Mittlerweile sind rund 25 landwirtschaftliche Betriebe und Großhandelsunternehmen an der Initiative beteiligt.
Das Ziel: Die männlichen Küken sollen mit aufgezogen werden. Denn sie sind keine sinnlosen Fresser, wie Carsten Bauck, Gründer der Initiative, betont:
"Der Hahn strukturiert der Henne den ganzen Tag: Morgens kräht er [...] und sagt: Morgen Mädels, es wird Zeit aufzustehen. Und abends bringt er sie ins Bett. Dazwischen zeigt er, wo das beste Futter zu finden ist. Er zeigt, wo die schönste Nestablage für die Eier ist. Der Hahn ist für seine 40 Mädels zuständig."
Gerettet wird der Hahn quasi durch seine "Mädels". Denn diese legen die Eier, die dann im Handel 4 Cent mehr kosten. Durch diesen Aufpreis wird das Futter der Bruderhähne finanziert. Vorteil: Die längere Mastzeit für Hähne ist für den Landwirt kein finanzielles Problem mehr - und ihr Fleisch kann zu normalen Preisen angeboten werden.
Bruderhahn-Eier gibt es in Bio-Läden und -Supermärkten sowie in ausgewählten Lebensmittelgeschäften. Du erkennst sie nicht am Ei selbst, sondern an der Verpackung, auf der dieses Siegel abgedruckt ist:
Du kannst Geschäfte, bei denen es BID-Eier gibt, über diese Karte in deiner Nähe suchen.
Weitere Initiativen, die bei der Eierproduktion die Bruderhähne der Legehennen mit aufziehen:
- haehnlein (bei Denn's in ganz Deutschland, Alnatura in Hamburg, Bremen, Hannover und NRW sowie in vielen Edeka-, Rewe-, tegut-, Hit- und Real-Filialen)
- Spitz & Bube von Rewe (bei Rewe oder Penny in ganz Deutschland)
- Eier von Alnatura und Alnatura Origin und der Biomarktkette Basic (in ganz Deutschland)
Auch in der konventionellen Landwirtschaft gibt es inzwischen ähnliche Projekte. Frag einfach mal im Supermarkt deines Vertrauens danach.
Zweinutzungshuhn
Bei Zweinutzungshühnern wachsen die weiblichen Küken zu Legehennen heran und die männlichen Küken werden zur Mast aufgezogen. Damit hätten Landwirte theoretisch von beiden Geschlechtern einen Nutzen und das Kükentöten wäre überflüssig.
In Deutschland kommen Zweinutzungshühner aktuell allerdings nur im kleinen Stil auf einigen Bio-Höfen vor. Denn: Hühner der Zweinutzungsrassen legen im Vergleich zu denen reiner Legelinien deutlich weniger Eier. Auch die männlichen Tiere der Zweinutzungsrassen nehmen im Vergleich zu Hähnen der üblichen Mastlinien wesentlich langsamer an Gewicht zu.
Ziel der Forschung ist es daher, ein Zweinutzungshuhn zu züchten, dessen Haltung für Landwirte rentabel ist.
Die Initiative "das Zweinutzungshuhn" setzt sich schon jetzt für die ökologische Haltung der Hühnerrasse "Les Bleues" als Zweinutzungshuhn ein. In dieser Liste findest du Höfe und Händler, die "Les Bleues"-Hühner (nach Öko-Richtlinien) halten.
Weitere Initiativen, die sich für die Haltung von Zweinutzungshühnern einsetzen:
- Herrmannsdorfer Landwerkstätten (in vielen Bioläden in ganz Deutschland)
- ei Care (in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern)
- Huhn und Hahn mit der Eigenmarke "Unsere Heimat" (bei Edeka in Baden-Württemberg, Rewe und Kaufland in Baden-Württemberg und Bayern)
- Ökologische Tierzucht gGmbH (ÖTZ) (in Bioläden in ganz Deutschland)
Was bedeutet der Code auf dem Ei?
Die Kennzeichnung der Eier ist EU-weit verbindlich geregelt. Die ersten beiden Angaben richten sich an die Verbraucher:innen und geben die Haltung und Herkunft an.
Die Betriebsnummer wiederum richtet sich an die zuständigen Kontrollbehörden - etwa wie ein Kfz-Kennzeichen.
Ein Beispiel für einen deutschen Erzeugercode: 1-DE-0212341.
1. Code für das Haltungssystem
- 0 = Ökologische Erzeugung
- 1 = Freilandhaltung
- 2 = Bodenhaltung
- 3 = Käfighaltung
2. Ländercode (Herkunft)
- AT = Österreich
- BE = Belgien
- DE = Deutschland
- NL = Niederlande
3. Identifizierung des Betriebs
Jeder Mitgliedstaat hat ein System eingerichtet, mit dem Erzeugerbetrieben eine individuelle Nummer zugewiesen wird. Die ersten beiden Stellen identifizieren das Bundesland, die 3. bis 6. Stelle den Betrieb und die 7. Stelle den jeweiligen Stall.
Die Bundesländer haben folgende Kennung:
01 = Schleswig-Holstein
02 = Hamburg
03 = Niedersachsen
04 = Bremen
05 = Nordrhein-Westfalen
06 = Hessen
07 = Rheinland-Pfalz
08 = Baden-Württemberg
09 = Bayern
10 = Saarland
11 = Berlin
12 = Brandenburg
13 = Mecklenburg-Vorpommern
14 = Sachsen
15 = Sachsen-Anhalt
16 = Thüringen
4. Güteklasse
Kriterien für die Einteilung in eine Güteklasse sind der Zustand von Schale und Kutikula, Luftkammer, Eiklar, Dotter, Keim sowie der Geruch des Eis. Hierbei wird unterschieden zwischen:
- Klasse A (frisch): Eier dürfen weder gewaschen noch anderweitig gereinigt, nicht haltbar gemacht oder gekühlt werden.
- Klasse B oder (Eier 2. Qualität oder deklassiert) sind für Unternehmen der Nahrungsmittelindustrie und Unternehmen der Nicht-Nahrungsmittelindustrie bestimmt.
5. Gewichtsklasse
- XL = 73 Gramm und mehr
- L = 63 Gramm bis unter 73
- M = 53 Gramm bis unter 63
- S = unter 53 Gramm
6. Das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD)
Das Mindesthaltbarkeitsdatum von Eiern darf 28 Tage nach dem Legen nicht überschreiten. Letztes Verkaufsdatum ist damit der 21. Tag nach dem Legen. Bei Eiern der Güteklasse B wird statt des Mindesthaltbarkeitsdatums das Verpackungsdatum angegeben.
Das solltest du dir merken
☝ Über's Internet und der auf dem Ei gedruckten Angaben bekommst du Infos über die Erzeugerbetriebe. Oder: Du nimmst Kontakt mit dem auf der Verpackung genannten Unternehmen, Einzelhändler:innen beziehungsweise der Verkaufsorganisation auf. Ebenfalls eine gute Anlaufstelle ist die Verbraucherzentrale.
☝ Wer sichergehen will, etwas gegen das Kükentöten zu tun, kann neben der gezielten Auswahl der Produkte auch einfach weniger Eier konsumieren.