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Wozu jagen: Müssen wir wirklich noch auf Tiere schießen?

  • Veröffentlicht: 19.07.2023
  • 14:45 Uhr
  • Alena Brandt

Die Jagd ist umstritten: Sie greift ins Ökosystem ein und bedroht das Tierwohl. Aber ohne Jäger:innen wäre auch die Waldwirtschaft gefährdet. Was würde passieren, wenn es keine Jagd mehr gäbe? Plus: Welche Neuerungen die Jagd dringend bräuchte.

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Das Wichtigste zum Thema Jagd

  • Das grüne Abitur: In Deutschland besitzen über 400.000 Menschen einen Jagdschein - und die Zahl der Jäger:innen steigt kontinuierlich, berichtet der Deutsche Jagdverband (DJV).

  • Schon gewusst? Zerstören beispielsweise Wildschweine Getreidefelder und verringern so die Ernte, zahlt die Jagdgenossenschaft den Wildschaden.

  • Rehe und andere Wildtiere gefährden teils den Baumbestand in Wäldern. Denn sie knabbern an den Bäumen - was Fachleute Verbiss nennen. Manche Bäume überleben das nicht oder wachsen langsamer.

  • Die Jagd ist aber auch in der Kritik und umstritten. Sie kann Wildtiere unter Dauerstress setzen und ist ethisch fragwürdig.

  • Würden sich Wildtiere ohne die Jagd unkontrolliert vermehren und Schaden anrichten? Mehr dazu erfährst du im Interview mit einer Wildtierökologin - nach unten scrollen,

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Die Aufgabe von Jäger:innen

  • Die Jagd soll Lebensräume für Wild erhalten.
  • Jäger:innen kontrollieren und hegen Wildbestände. Sie töten auch alte und kranke Tiere.
  • Bei einem Wildunfall suchen Jäger:innen mit ihrem Jagdhund angefahrene Tiere und erlösen diese.
  • Es ist auch die Aufgabe von Jäger:innen, Kitze vor dem Mähtod zu bewahren und Felder vor dem Mähen zu checken.
  • Die Jagd ist dem Umwelt-, Natur-, Landschafts- und Tierschutz verpflichtet.
  • Jäger:innen dürfen Tieren kein unnötiges Leid zufügen.

Diese Wildtiere werden am häufigsten gejagt

🦌 Rehwild steht mit rund 1.276.000 getöteten Tieren pro Jahr ganz oben auf der Abschussliste.

🐗 Jäger:innen töten rund 711.000 Wildschweine (jägersprachlich Schwarzwild) pro Jahr.

🦊 Rund 421.000 Füchse wurden in der vergangenen Jagdsaison geschossen.

🕊️ Wildtauben unterliegen dem Jagdrecht. In der Saison 2121/2023 schossen Jäger:innen rund 300.000 Tiere.

🦆 Enten sind mit rund 264.000 Tieren ebenfalls eine häufig gejagte Art.

🐰 Rund 217.500 Feldhasen blieben in der letzten Jagdsaison auf der Strecke.

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Galileo

100 Sekunden: Wildunfälle

Nebel, Regen und Nasses Laub fordert Autofahrer gerade jetzt im Herbst besonders. Doch es lauert auch eine ganz andere Unfallgefahr auf unseren Straßen – brunftiges Wild. Warum die liebestollen Tiere während der Paarungszeit durch den Wind sind und was das für uns Menschen bedeutet in 100 Sekunden.

  • Video
  • 02:03 Min
  • Ab 12

Interview über die Auswirkungen der Jagd auf Tiere und Natur mit Ilse Storch, Professorin für Wildtierökologie und Wildtiermanagement

Ist Jagd immer auch Naturschutz?

💬 Vielerorts tragen Jäger:innen zur Habitatgestaltung bei: Sie legen etwa Hecken, Blühstreifen und Wildäcker an. Und in Deutschland zahlen Jäger:innen Jagdabgaben, die teils in Wildtier-Forschung und Naturschutz fließen. Jagd kann zum Naturschutz beitragen, aber das ist nicht zwangsläufig so. Es gibt zahlreiche Beispiele von Tierpopulationen, die durch die Jagd selten oder gar ausgerottet worden sind. Jagd ist immer noch eine der globalen Hauptursachen für die Gefährdung von Arten.

Wie wirkt sich die Jagd auf das Verhalten von Wildtieren aus?

💬 Es ist die Jagd, die Tiere dem Menschen gegenüber scheu gemacht hat und erhält. Tiere meiden den Menschen, und die Omnipräsenz von Menschen lässt wenig Raum für Wildtiere. Wo Menschen von Tieren als harmlos erfahren werden, sieht das ganz anders aus - in der Stadt und in Schutzgebieten etwa sind Tiere oft vertrauter und gut beobachtbar. Leider sind grundlegende Effekte von Jagd auf das Verhalten von Wildtieren wenig bewusst; auch Jagenden nicht.

Gibt es dazu auch Studien?

💬 Dass Jagd das Verhalten von Wildtieren beeinflusst, ist vielfach gezeigt worden. Auch meine Arbeitsgruppe hat dazu geforscht. Die Jagd kann die sozialen Netzwerke von Murmeltieren soweit stören, dass die winterlichen Überlebenschancen einer Familiengruppe sinken. Das belegt eine Forschung von Friederike Zenth. Und bejagte Populationen von Alpenschneehühnern in Island und Italien flüchten früher vor Menschen als unbejagte Populationen - das wies Farina Sooth nach.

Was würde ohne die Jagd passieren?

💬 Das ist sehr von der Tierart, der Jagdpraxis und dem Gebiet abhängig. Die Beispiele Niederlande und Genf mit weitgehend abgeschaffter Jagd deuten darauf hin, dass in vielen Fällen gar nichts passieren würde - außer dass Tiere vertrauter werden. In beiden Fällen wird behördlich eingegriffen, falls es Probleme durch Wildtiere gibt: etwa an Unfallschwerpunkten, zur Seuchenprävention und bei Wildschäden.

Kann die Jagd Tierbestände überhaupt nachhaltig regulieren?

💬 Für Deutschland gibt es dazu keine zuverlässigen Daten. Abschussstatistiken deuten darauf hin, dass Populationen bei Rehen, Rothirschen und Wildschweinen trotz teils intensiver Bejagung weiter zunehmen. Eine Studie von Lino Kämmerle zeigte, dass eine aus Artenschutzgründen verstärkte Bejagung von Rotfüchsen nur sehr kurzfristig zu einer lokal geringeren Fuchsdichte führte: für den Artenschutz deutlich zu wenig. Dass Arten wie das Auerhuhn aussterben und Arten wie der Rotfuchs zugenommen haben, hat den gleichen Grund: unsere Landnutzung.

Ist Fuchsjagd also sinnlos?

💬 In unserer menschendominierten Landschaft hat das Auerhuhn seinen Lebensraum verloren. Gleichzeitig haben wir hervorragende Bedingungen für Füchse und andere Generalisten geschaffen - und das wird sich aufgrund unseres Lebensstils auch nicht umkehren. Ich halte es daher für falsch, Beutegreifer wie den Fuchs dauerhaft intensiv zu jagen - zugunsten einer bedrohten Tierart, für die es kaum noch geeigneten Lebensraum gibt.

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Ist die Jagd noch zeitgemäß? Pro und Contra

  • Bleifreie Munition hat sich mittlerweile (fast) überall durchgesetzt. Die Auswirkungen des giftigen Schwermetalls auf die Nahrungskette und Ökosystem sind gravierend.
  • Mehr Tierwohl-Aspekte finden sich in den Jagdgesetzen der Bundesländer. So ist etwa die Fallenjagd eingeschränkt.
  • Gutes Beispiel? In den Niederlanden ist laut Prof. Ilse Storch seit etwa 20 Jahren die Anzahl der bejagbaren Arten begrenzt worden: Feldhase, Kaninchen, Fasan, Ringeltaube, Stockente, Rebhuhn sind jagdbar. Keine Füchse, keine Hirsche, keine Rehe!
  • Der Naturschutzbund (NABU) fordert eine Vereinheitlichung der Jagdzeiten auf die Monate September bis Dezember.
  • Auf die Fütterung von Wild sollte laut NABU grundsätzlich verzichtet werden. Auch Prof. Ilse Storch sieht Winterfütterung kritisch, da sie zu mehr Schäden in Land- und Forstwirtschaft führe.

Jägerlatein für Jedermann

Die Begriffe Hochwild und Niederwild stammen aus früheren Zeiten, in denen nur Adelige Jagdrecht besaßen. Der Hochadel schoss Hochwild: also Hirsche und Wildschweine. Für den niedrigen Adel blieb Niederwild wie Reh und Hase. Diese Begriffe sind auch heute noch im Sprachgebrauch.

Auf die Pirsch gehen: Diese Redewendung meint ursprünglich, dass man auf die Jagd geht. Heute ist sie fürs Flirten gebräuchlich.

Dir ist etwas durch die Lappen gegangen? So ging es früher auch den Menschen auf Treibjagd: Sie hingen Stofflappen im Wald auf. Diese sollten die Tiere von der Flucht in eine bestimmte Richtung abhalten. Aber manchmal ging eben ein Tier durch die Lappen - und entwischte.

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