Jungfernzeugung - Wenn die Natur auf Männer verzichtet
- Veröffentlicht: 27.01.2022
- 07:45 Uhr
- Sven Hasselberg
Eine neue Studie beschreibt, dass sich Kondor-Weibchen selbst befruchten können. Bei anderen Tieren sind Jungfernzeugungen schon länger bekannt. Wir erklären dir, wie das geht und was die Natur damit bezwecken könnte.
Das Wichtigste zum Thema Jungfernzeugungen
Durch Zufall entdeckten Forschende aus dem Zoo San Diego die Jungfernzeugung beim Kalifornischen Kondor-Weibchen. Eine Untersuchung zweier Tiere ergab, dass sie nur das genetische Material der Mütter aufwiesen. Es konnte kein Männchen an der Befruchtung beteiligt gewesen sein.
Bei der Jungfernzeugung, auch Parthenogenese genannt, übernehmen Zellen im Inneren des Eis die Rolle des Spermas. Sie verschmelzen mit der Eizelle, diese kann sich teilen und daraufhin entwickelt sich ein Embryo.
Die aktuelle Studie aus San Diego beschreibt, dass Jungfernzeugung bei Kalifornischen Kondoren zum 1. Mal beobachtet wurde. Zuvor war sie von Hühnern, Echsen oder Haien bekannt - oft nur bei Mangel an Männchen.
Da das Phänomen oft bei bedrohten Arten auftritt, denken einige Forschende, dass dahinter eine "Rettungsaktion" der Natur stecken könnte. Andere bezweifeln das. Willst du mehr über den Streit in der Welt der Wissenschaft erfahren und was im Fall der Kondore so besonders ist? Lies weiter.
Das Geheimnis der Jungfernzeugung
Eine Jungfernzeugung wie bei den Kondor-Weibchen geschieht meist, wenn keine Männchen zur Verfügung stehen. Die Wissenschaft spricht von fakultativer Jungfernzeugung – im Ausnahmefall. Die Kondor-Weibchen hätten sich aber mit Männchen paaren können. Und die Muttertiere hatten davor und danach Junge, die mit Männchen gezeugt wurden. Es geschah also ohne erkennbaren Grund, und wurde auch nur durch die Genanalyse zufällig entdeckt.
Manche Forschende denken, dass fakultative Jungfernzeugung besonders bei Arten mit einer geringen Anzahl von Tieren vorkommt. Einige sehen darin eine "Rettungsaktion" der Natur für bedrohte Arten. Andere widersprechen dem. Hierzu gäbe es nicht genügend Datenmaterial und der Fall der Kondore zeige, dass Männchen vorhanden waren. Ein weiteres Gegenargument: Jungfernzeugung wird meist bei Tieren in Gefangenschaft beobachtet.
Anhänger der These halten dagegen und sagen, dass es in freier Wildbahn sicher öfter vorkommt als gedacht. Forschende bekommen es dort nur nicht mit, da kein Genmaterial überprüft werden kann. Oft sind Jungtiere aus der Jungfernzeugung zu schwach zum Überleben. Auch dies würde also gegen einen Notfallplan der Natur sprechen.
Auch diese Tiere beherrschen Jungfernzeugung
Jungfernzeugung - Wenn die Natur auf Männer verzichtet
5 x Fortpflanzung ganz anders
👧 Thelytokie: Bei dieser Form der Jungfernzeugung entsteht ausschließlich weiblicher Nachwuchs. Diese Weibchen sind in der Regel nicht von "herkömmlich" entstandenen Weibchen zu unterscheiden. Thelytokie ist von einigen Ameisenarten oder der südafrikanischen Kapbiene bekannt, wenn große Mengen an Weibchen als Arbeiterinnen gebraucht werden oder aber eine neue Königin die alte ablösen muss.
🐝 Arrhenotokie: Hier hängt das Geschlecht des Nachwuchses davon ab, ob ein Ei befruchtet wurde oder nicht. So entstehen in der Regel aus unbefruchteten Eiern Männchen, aus befruchteten Eiern Weibchen. Klassisches Beispiel ist die heimische Honigbiene, bei der aus unbefruchteten Eiern Drohnen, aus befruchteten Eiern Arbeiterinnen entstehen.
🐟 Gynogenese: Bei einigen Fisch- oder Molcharten kommt ein Spermium zum Einsatz und löst die Eientwicklung aus. Sein Erbgut wird aber nicht weitergegeben. Es dient also nur als Impuls, pflanzt sich aber genetisch nicht fort. Beim Blauflecken-Querzahnmolch ist diese Art der Fortpflanzung schon seit den 60er-Jahren bekannt.
🐌 Autogamie: Dabei hat ein Tier männliche und weibliche Erbanlagen und kann sich als Zwitter selbst befruchten. Im Pflanzenreich kommt das in Form der Selbstbestäubung häufiger vor. Regenwürmer und Schnecken sind bekannte Vertreter unter den Tieren.
👨👦 Männliche Schwangerschaft: Die taucht bei Seepferdchen und ihren Verwandten, den Seenadeln, auf. Die Weibchen schieben den Männern die unbefruchteten Eier in den Bauch. Erst dort werden diese dann vom Männchen befruchtet. Die Männer tragen den Nachwuchs dann gut 24 Tage bis 1 Monat aus.
Menschliche Jungfernzeugung - nur im Labor
Kein Säugetier hat sich bisher durch Jungfernzeugung fortgepflanzt. Der Begriff wird aber immer wieder mit Menschen im Zusammenhang der künstlichen Befruchtung oder der Stammzellenforschung erwähnt. Hier handelt es sich nur um Ansätze auf Zellebene im Labor.
Besonderes Aufsehen erregte 2004 der Fall des südkoreanischen Tierarztes Hwang Woo Suk von der Nationaluniversität Seoul. Er behauptete, aus einem geklonten menschlichen Embryo Stammzellen generiert zu haben.
Stammzellen sind Zellen, die sich selbst kopieren, und so neue Stammzellen, aber auch andere Zelltypen entwickeln. Die Medizin hofft damit Krankheiten wie Parkinson oder Organschäden heilen zu können. Hwang wurde dafür gefeiert. Allerdings stellte sich der Durchbruch bald als Betrug heraus.
Erst 2009 konnte ein italienisches Forscherteam verkünden, dass es ihm gelungen ist, mit Hilfe von chemischen Reizen einer Eizelle eine Befruchtung "vorzuschwindeln", so dass diese mit der Teilung begann. Es wurden aber noch nie ein überlebensfähiger menschlicher Embryo entwickelt