Politische Einflussnahme
Lobbyismus: So nehmen Interessens-Gruppen Einfluss auf die Politik
- Aktualisiert: 05.11.2024
- 09:35 Uhr
- Galileo
Auch in Deutschland gibt es seit einigen Jahren ein Lobby-Register. Aber was bedeutet das genau und wieso steht Lobbyismus überhaupt in der Kritik? Außerdem: Bekannte Beispiele von Lobbyismus in Deutschland.
Das Wichtigste in Kürze
Grundsätzlich hat Lobbyismus eine wichtige Funktion: Vertreter:innen von Interessengruppen geben Infos und Sichtweisen an die Politik weiter.
So bekommen Politiker:innen und Parteien einen Eindruck von der öffentlichen Meinung bekommt.
In der Regel finden Treffen mit Lobbyist:innen jedoch nicht öffentlich statt. Das wird oft kritisiert.
Das Lobby-Register in Deutschland ist relativ neu und wurde am 1. Januar 2022 eingeführt. Das Gesetz zur Schaffung eines solchen Registers wurde bereits im März 2021 beschlossen.
Dadurch soll sich die Transparenz im politischen Entscheidungs-Prozess erhöhen und die Aktivitäten von Lobby-Gruppen besser nachvollziehbar werden.
Lobbyismus einfach erklärt
Lobbyismus stammt von dem Begriff "Lobby", der ursprünglich eine Wartehalle, etwa in Hotels oder Parlamenten, bezeichnete. In früheren Zeiten warteten dort die Vertreter:innen bestimmter Interessens-Gruppen. Sie wollten den Politikerinnen und Politikern ihre Sicht auf Dinge und ihre Informationen nahebringen und damit Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen. Lobbyist:innen vertreten oft spezifische Interessen, wie zum Beispiel Umweltschutz, Wirtschaft oder Gesundheit.
Selbst kritische Stimmen betonen oft die wichtige Funktion von Lobbyismus in einer Demokratie. Denn niemand in der Politik kann die Interessen aller im Blick haben. Hier kommen Lobbyistinnen und Lobbyisten ins Spiel: Sie können Informationen und Sichtweisen weitergeben und Fehler in der Gesetzgebung verhindern. Im Idealfall können Politikerinnen und Politiker dadurch eine objektive Entscheidung treffen.
Lobby-Gruppen können aber auch Einfluss auf die öffentliche Meinung nehmen. Das geschieht oft durch Interviews beispielsweise in TV-Talkshows, Presse-Mitteilungen oder Anzeigen-Kampagnen.
Lobbyismus: Einfluss auf die öffentliche Meinung über Social Media
💻 Durch Social Media hat sich auch der Einfluss von Lobbyist:innen auf die öffentliche Meinung verändert. Zeitungs- und Fernsehanzeigen kosten viel Geld.
📲 Mit Social Media ist es möglich, Kampagnen auf einem eigenen Account bei Facebook oder Instagram zu veröffentlichen - und diese dann von Influencer:innen verbreiten zu lassen.
👁 Dadurch ist es einfacher als noch vor einigen Jahren, mit viel Geld viel Aufmerksamkeit zu bekommen. Und das macht es kleinen Interessenverbänden wiederum schwer, auf ihre möglicherweise wichtigen Sichtweisen hinzuweisen.
Deutschland: Lobby-Register beim Deutschen Bundestag
Nach einigen Skandalen und Affären in den vergangenen Jahren wurden die Forderungen nach einem Lobby-Register immer lauter. Auch Lobbyistinnen und Lobbyisten selbst setzten sich für ein solches Verzeichnis ein. Ihre Sorge: Die an sich sinnvolle Interessen-Vertretung soll nicht noch mehr in Verruf geraten. Aktuell (Stand: November 2024) hat das Lobby-Register mehr als 5.900 eingetragene aktive Interessenvertreter:innen und über 26.800 Personen, die Interessen-Vertretung unmittelbar ausüben.
Das Lobby-Register in Deutschland ist ein öffentlich zugängliches Verzeichnis, in das sich Interessenvertreter:innen eintragen müssen, die die politische Willensbildung und Entscheidungs-Prozesse auf Bundesebene beeinflussen möchten. Es hat zum Ziel, die Transparenz in der politischen Entscheidungsfindung zu erhöhen und das Vertrauen der Bürger:innen in die Politik zu stärken. Außerdem müssen Lobbyist:innen einem Verhaltens-Kodex zustimmen. Vorsätzliche Verstöße dagegen können Geldstrafen in Höhe von bis zu 50.000 Euro zur Folge haben.
In anderen Ländern wie Kanada oder den USA gibt es Lobbyregister in ähnlicher Form bereits seit vielen Jahren.
Kritik am deutschen Lobby-Register
Das deutsche Lobby-Register stellt einen bedeutenden Fortschritt für mehr Transparenz in der politischen Willensbildung dar. Dennoch wird die Ausgestaltung und Umsetzung des Registers auch kritisiert.
- Fehlender "legislativer Fußabdruck": Es gibt keine Pflicht, aufzuzeichnen, welche Lobbyist:innen an der Ausarbeitung von Gesetzen beteiligt waren. Dadurch bleibt unklar, wie stark Lobbyisten die Gesetzgebung beeinflussen.
- Finanzierung: Nicht alle Lobbyist:innen sind verpflichtet, umfassende Informationen über ihre Finanzierung offenzulegen. Dies führt dazu, dass unklar bleibt, wie viel Geld tatsächlich für Lobby-Arbeit verwendet wird und welche Interessen damit verbunden sind.
Interview: Wie arbeiten Lobbyist:innen?
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Im Video: Die wahre Arbeit der Lobbyist:innen
Beispiele von Lobbyismus in Deutschland
🛣 In Deutschland intensiv und schon lange diskutiert: das Tempolimit auf deutschen Autobahnen. Umweltverbände verweisen auf einen möglichen Rückgang des Kohlendioxid-Ausstoßes, zudem soll die Zahl der Unfälle mit Todesfolge dadurch gesenkt werden. Gegen ein Tempolimit wehrten sich bisher Automobilverbände mit zahlreichen Mitgliedern sowie die finanzkräftige Automobil-Industrie mit mehreren Hunderttausend Arbeitsplätzen.
🚗 In der Corona-Krise hatte die Auto-Industrie immer wieder eine Kaufprämie für Autos mit Verbrennungsmotor gefordert. Auch Gewerkschaften und Landesregierungen aus Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen (Heimat von BMW, Daimler und Volkswagen) unterstützten diesen Wunsch. Die Bundesregierung nahm dann aber lediglich eine Kaufprämie für Elektro-Autos ins Konjunktur-Paket auf.
🏖 Gerade während den Diskussionen um das Konjunktur-Programm der Bundesregierung in der Corona-Krise zeigte sich der Einfluss von Lobby-Gruppen. Beispielsweise forderten Tourismusverbände finanzielle Hilfen und Digitalkonzerne die Rücknahme schärferer Datenschutz-Vorgaben - jeweils mit Verweis auf die Pandemie.
🚜 Völlig überraschend hatte 2017 der deutsche Landwirtschaftsminister Christian Schmidt in der EU-Kommission für eine Zulassung des umstrittenen Unkrautbekämpfungsmittels Glyphosat bis 2022 gestimmt. Obwohl das Umweltministerium und auch die Mehrheit der Deutschen für ein Verbot waren. Monsanto, der weltweit größte Produzent von Glyphosat, soll intensiv Lobbyismus und Medienberichten zufolge zudem heimlich Studien finanziert haben, die die Vorteile der Nutzung des Unkrautbekämpfungsmittels hervorheben.
👱 Der Bundestags-Abgeordnete Philipp Amthor soll in einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier um politische Unterstützung für das US-Unternehmen Augustus Intelligence geworben haben. Außerdem soll Amthor den Unternehmensgründern Kontakte in verschiedenen Bundesministerien verschafft haben. Im Gegenzug habe der CDU-Politiker einen Direktorenposten sowie Aktien-Optionen bei dem Unternehmen erhalten. Nach Kritik auch aus der eigenen Partei beendete Amthor seine Tätigkeiten für August Intelligence sowie seine bezahlte Nebentätigkeit für eine mit dem Unternehmen in Verbindung stehende Wirtschaftskanzlei.
Kritik am Lobbyismus
- Ein wichtiger Faktor beim Erfolg von Lobbyismus ist Geld. Geld bedeutet mehr Lobbyist:innen und mehr Öffentlichkeitsarbeit. Im Umkehrschluss heißt das: Ist ein Interessens-Verband mitglieder- oder finanzschwach, ist sein Einfluss oft geringer. Das macht es beispielsweise Umweltverbänden schwer, ihre Argumente im Kampf für einen besseren Umweltschutz gegen den Einfluss ganzer Industriezweige sichtbar zu machen.
- Politische Affären tragen ebenfalls zum negativen Bild von Lobbyismus bei. Wenn politische Positionen missbraucht werden, um daraus persönliche oder gar geldwerte Vorteile zu ziehen, nimmt das Vertrauen in die Politik Schaden.
- Oft wird auch die fehlende Transparenz bemängelt. Lobbyismus findet meist diskret statt, in Hinterzimmern (und eben nicht mehr in der Parlaments-Lobby). So ist es für die Öffentlichkeit schwer zu erkennen, ob eine politische Entscheidung maßgeblich von Lobby-Gruppen beeinflusst wurde.