Erdmantel
Plattentektonik: Ist sie der Grund für Vulkane, Tsunamis und Erdbeben?
- Veröffentlicht: 07.10.2024
- 05:00 Uhr
- Peter Michael Schneider
Wenn ein Vulkan ausbricht oder die Erde bebt, ist der Mensch machtlos. Dahinter steckt eine Kraft, die ganze Kontinente verschiebt. Wie das Phänomen der Plattentektonik funktioniert und welche Auswirkungen es auf uns hat.
Das Wichtigste in Kürze
Plattentektonik ist das Zauberwort der Geolog:innen. Ohne das Phänomen der wandernden Erdplatten ließe sich kaum ein Erdbeben, Tsunami oder Vulkanausbruch erklären.
Vor allem sorgt sie dafür, dass fast nichts auf der Erde ewig währt: Ozeane, Gebirge, Kontinente: Alle vergeht und entsteht neu. Daher sahen Erdkarten vor Millionen Jahren völlig anders aus als heute.
Der Haken: Die Platten kriechen so langsam über die Erdoberfläche, dass erst im 20. Jahrhundert entdeckt wurde, dass sie sich überhaupt bewegen.
Was die Platten antreibt, steht nicht fest. Wissenschaftler:innen gehen davon aus, dass Temperatur-Unterschiede den Erdmantel langsam umwälzen und dabei auch die Kruste bewegen.
Das Innere des Planeten Mars hingegen ist bereits weitgehend erstarrt. Daher gibt es dort auch keine Plattentektonik.
So funktioniert die Plattentektonik
- Auf der Erde "schwimmen" etwa ein Dutzend starre Erdplatten, die aus dicker kontinentaler und dünner ozeanischer Kruste bestehen.
- Sie wandern mit mehreren Zentimetern pro Jahr über die Erdoberfläche. Eingebettet in diese Platten bewegen sich auch die Kontinenten umher (= Kontinentaldrift) - mit dir als menschlicher Fracht.
- Wo sich die Ränder der Platten berühren, geht es geologisch gesehen heiß her. Einige Platten prallen aufeinander oder reiben sich.
- Manchmal entstehen auch ganz neue Platten, wenn ein Kontinent in zwei Teile auseinanderbricht.
- Auf der Erde bildete sich schon vor 4,4 Milliarden Jahren eine Kruste. Doch diese Urkruste ist längst vergangen.
- An zahlreichen Rändern sinken Platten unter ihre Nachbarplatten und werden aufgeschmolzen. Woanders drängt Lava die Platten auseinander und bildet neue Kruste. Dabei entsteht immer genau so viel neue Kruste, wie aufgeschmolzen wird.
Warum Plattentektonik Vulkane ausbrechen lässt
Wo sich die Ränder von Erdplatten befinden, kannst du häufig selbst herausfinden: Folge den Vulkanen. Taucht beispielsweise eine ozeanische Platte unter eine andere Platte ("Subduktion"), sinkt sie in den Erdmantel und beginnt sich aufzuheizen.
Dabei wird reichlich Wasser aus der absinkenden Kruste freigesetzt, was das darüberliegende Material schmelzen lässt. Da dieses Magma leichter ist als seine Umgebung, steigt es an die Oberfläche. In den Ozeanen bilden sich dann Feuerringe, langgestreckte Vulkaninseln wie beispielsweise Indonesien (mit dem abgebildeten Vulkan Ana Krakatau) und die Philippinen.
Falls eine Platte unter einen ganzen Kontinent taucht, bilden sich nicht bilden sich Vulkanketten im Hinterland. So ist der höchste Berg der südamerikanischen Anden, der 6961 Meter hohe Aconcagua, ein Vulkan – oder besser gesagt er war es, denn er ist seit mehr als fünf Millionen Jahren erloschen.
Im Video: Alles, was du über Vulkane wissen musst
Wie die Plattentektonik den Himalaja auftürmt
Superbergsteiger Reinhold Messner dürfte ein Riesenfan der Plattentektonik sein. Denn hätte nicht Indien vor etwa 40 bis 50 Millionen Jahren Asien gerammt, hätte sich auch nicht der Himalaja aufgetürmt - und der Südtiroler hätte nicht bei seiner legendären Besteigung des Mount Everest 1978 beweisen können, dass er noch in 8.848 Metern Höhe ohne Sauerstoffflaschen auskommt.
Kollisionen von ganzen Kontinenten ereignen sich, wenn der gesamte Boden eines Ozeans abgetaucht ist, bis nur noch die umgebenden Kontinente übrig bleiben und zusammenstoßen. Da Kontinente viel dicker und schwerer sind, lassen sich ihre oberen Schichten nicht einfach unter eine andere Platte pressen, sondern türmen sich wie bei einer Massenkarambolage zu einem Gebirge chaotisch durchgemixter Gesteine auf. Neben dem Himalaja gehören auch die Alpen zu dieser Art geologischem Super-Unfall.
Wie die Plattentektonik riesige Seen schafft
Afrika-Urlaubende dampften bisher gerne mit dem ehemaligen deutschen Dampfer "Liemba" über den Tanganjikasee. Vielen vermutlich unbekannt: Unter ihnen zerbricht gerade Afrika in zwei Teile. Denn der mit bis zu 1.470 Metern tiefste See Afrikas ist wie viele andere in Ostafrika Teil des Ostafrikanischen Grabens, einer Schwächezone des Kontinents, in der seine Kruste allmählich ausdünnt. So ein Rift kann sich später einmal zu einem jungen Ozean entwickeln, wie es heute schon das Rote Meer ist.
Was die Erdplatten mit Tsunamis zu tun haben
Lösen sich zwei verhakte Krustenteile im Ozean, sodass eine der Platten nach oben ausschlägt, erzeugen sie einen Tsunami. Seeleute auf dem offenen Meer bemerken diese häufig nur einem Meter hohe Welle gar nicht, die manchmal Tausende Kilometer in der Stunde zurücklegt.
Tödlich wird sie erst, wenn sich die Tsunami-Welle an der Küste Dutzende Meter auftürmt und als schwarze Flut ins Hinterland ergießt. Eine Tsunami-Welle vor Kreta erreichte laut Archäolog:innen 1450 v. Chr. sogar eine Höhe 150 Meter.
Verhakte Platten: Wie Plattentektonik Erdbeben auslöst
Wandernden Platten verursachen etwa 90 Prozent aller Erdbeben. Denn die Gesteine an ihren Rändern verhaken sich wie ein Klettverschluss. Zwar sich reiben die kilometerdicken Krustenteile in Zeitlupe aneinander, aber über Jahre und Jahrhunderte hinweg bauen sich enorme Spannungen auf. Diese entladen sich in regelmäßig schlagartig und für den Menschen mit oft tödlichen Folgen.
Die heftigsten Beben ereignen sich an Plattenrändern - allein die Hälfte an den Rändern der pazifischen Platten. 1960 schlugen die Seismographen bei einem Beben in Chile auf einen Wert von 9,5 auf de Richter-Skala aus, mehr als 1.000 Menschen starben, mehr als zwei Millionen verloren ihr Dach über dem Kopf. In Europa zittert die Erde in der Region, in der Afrika auf Europa trifft also rund ums Mittelmeer. Das Beben 2023 in der Türkei und Syrien, wo drei Platten aufeinanderstoßen, forderte sogar 60.000 Menschenleben.
Im Video: Der größte Erdbebensimulator der Welt
Plattendrift: Warum Amerika immer weiter weg ist
Würde Kolumbus sich heute nach Amerika aufmachen, müsste er nun zwölf Meter weiter segeln als noch im Jahr 1492 während seines Überfahrt. Denn Europa und Amerika entfernen sich jedes Jahr um zwei bis drei Zentimeter voneinander.
Noch kurioser: Vor etwa 250 Millionen Jahren hätte Kolumbus zu Fuß nach Amerika laufen können - und hätte dafür keine fünf Minuten gebraucht. Denn damals waren alle Kontinente im Superkontinent Pangäa vereint. Allerdings ist er danach in seine Einzelteile zerfallen, das Ergebnis zeigt uns heute jede Weltkarte.
Verantwortlich dafür sind Rifts, Schwäche-Zonen in den Kontinenten und die Mittelozeanischen Rücken in der Mitte der Ozeane. Dort dringt flüssiges Gestein nach oben, drängt die Platten auseinander und bildet neue Kruste.
Fakten über die Erdplatten. Wusstes du …
… laut der Münchner Rückversicherung rund die Hälfte der 3,5 Millionen Menschen, die im 20. Jahrhundert bei Naturkatastrophen starben, bei Erdbeben, Tsunamis und Vulkanausbrüche ums Leben kamen?
… dass sich an mitten in der Sahara Gletscherspuren finden lassen? Ein Hinweis darauf, dass sich Afrika vor langer Zeit mal am Südpol befand.
… dass Platten auch gerne mal abbiegen? Das lässt sich an der Hawaii-Emperor-Vulkankette im Pazifik sehen. Die Kette der ältesten Inseln verläuft grob von Nord nach Süd. Vor 47 Millionen Jahren aber änderte die Pazifische Platte womöglich ihre Marschrichtung: Die jüngere Kette der Hawaii-Inseln verläuft von West nach Ost.
… dass die Venus zwar Krustenplatten mit großen Brüchen besitzt, aber als zu heiß für eine erdähnliche Plattentektonik gilt?
…. dass Geolog:innen früher annahmen, die Erde würde schrumpfen und die Gebirge wären nichts als Runzeln auf ihrer Oberfläche?