Unterwasserlärm: So gefährlich ist der Lärm für Meerestiere
- Veröffentlicht: 05.10.2023
- 17:50 Uhr
- Sven Hasselberg
Schiffsschrauben, Bohrinseln, Sonargeräte. Durch Lärm unter Wasser verlieren Meerestiere die Orientierung, finden keine Partner oder sterben. Die Lage ist sehr ernst. Doch es gibt Lösungen.
Das Wichtigste zum Thema Unterwasserlärm
Der Lärm in den Meeren hat sich in den vergangen 60 Jahren in jedem Jahrzehnt verdoppelt. Schuld daran sind Schiffslärm, Tourismus, das Suchen und Förden von Öl und Gas aber auch militärisches Sonar.
Durch die Beschallung verlieren Tiere die Orientierung, finden keine Partner oder Beute. Pinguine werden schwerhörig, Wale stranden und sterben. Dies stört das Ökosystem der Ozeane und gefährdet immer mehr Arten.
Unter anderem deswegen haben die Vereinten Nationen 2021 das Jahrzehnt der Ozeanforschung ausgerufen. Mehr über Lärmquellen und Lösungsansätze wie den Blasenschleier als Lärmdämmung erfährst du hier.
Lärm in den Weltmeeren: Das sind die Ursachen
🔊 Schallkanonen: Luftpulser oder Airguns zählen zu den lautesten Lärmquellen. Wie in unserer Grafik zu sehen ist, "schießen" Schallkanonen Wellen tief in den Boden. Das Echo zeigt, ob sich im Untergrund Öl oder Gas befinden. Auch die Wissenschaft setzt Airguns ein, die bis zu 1.000-mal lauter als Schiffe sind. Der Frequenzbereich ist der gleiche, auf dem Wale kommunizieren.
🌐 Sonar: Das Militär sucht damit Ozeane nach Untiefen, U-Booten oder Fischschwärmen ab. Wale reagieren darauf besonders empfindlich. Oft verursachen Sonare den Tod der Tiere. Tieffrequenz-Sonar schickt Schallimpulse durch tausende Kubikkilometer Wasser. Die Lautstärke übertrifft die an Deck eines Flugzeugträgers oder eines Raketenstarts.
🚢 Schiffslärm: Die Anzahl der Schiffe und die gefahrenen Kilometer nehmen zu. Ihre Schrauben und Motoren verursachen den am weitesten verbreiteten Lärm. Die Schutzorganisation "Ocean Care" bezeichnet dies als "akustischen Nebel", der alle natürlichen Geräusche einhüllt.
🏖 Tourismus: Hier sorgen allen voran die großen Kreuzfahrtschiffe für zu viel Lärm. Aber auch Tourist:innen, die Motorboot-, Jet-Ski- oder Wasserskifahren verursachen vor allem in Küstennähe viel Lärm.
💣 Explosionen: 1,6 Millionen Tonnen alte Munition rostet in Nord- und Ostsee vor sich hin. Immer wieder kommt es zu Explosionen. Dazu gehören auch kontrollierte Sprengungen. Auch militärische Tests neuer Munition verschlimmern den Lärm unter Wasser.
🛢 Offshore-Bauwerke: Bohrinseln oder Windkraftpropeller werden oft in den Meeresboden gerammt. Läuft der Betrieb, verursachen Maschinen und Pendelfahrten zur Versorgung und Wartung zusätzliche Geräusche. Auch die Errichtung von Hafenbauten und Pipelines zahlt auf das Lärmkonto ein.
So schadet der Unterwasserlärm den Tieren
Ein Mensch empfindet dauerhaften Lärm von 130 Dezibel (dB) als Schmerz. Ab 190 bis 200 Dezibel kann bei Menschen der Tod eintreten. Zum Vergleich: Ein Silvesterböller, der direkt neben dem Ohr explodiert, hat eine Lautstärke von rund 170 Dezibel.
Ein militärisches Sonar bringt es unter Wasser auf bis zu 230 dB, eine Schallkanone auf bis zu 250 dB. Unter Wasser gelten durch die physikalischen Verhältnisse nochmals andere Maßstäbe und auch der Frequenzbereich spielt bei der Schädigung der Tiere eine Rolle.
Viele Tiere können sich nicht mehr mit Artgenossen verständigen. Das beeinflusst die Koordination im Schwarm bei Fischen, aber auch die Suche nach Beute und einem Partner. Früher haben Wale über Ozeane hinweg kommuniziert. Heute hat die Entfernung um 90 Prozent abgenommen. Kleinere Tierarten nehmen das Herannahen von Fressfeinden nicht mehr wahr.
Wale tauchen zu schnell auf, Embolien, Gefäßschäden in Hirn, Lunge und anderen Organen können ebenso zum Tod führen wie das Stranden auf Grund der Orientierungslosigkeit. Auch Kraken, Robben, Schildkröten oder Hummer gehören zu den geschädigten Arten. Bei einigen wird die Aufzucht der Jungen gestört, andere leiden an Wachstumsstörungen. Bei Säugern kann zudem Schwerhörigkeit auftreten.
Das Deutsche Meeresmuseum Stralsund und das Museum für Naturkunde Berlin zeigen mit dem Projekt "Hearing in Penguins", dass auch Pinguine durch Unterwasserlärm Stress ausgesetzt sind und die Flucht ergreifen.
Lösungen gegen Unterwasserlärm
⏱ Koordinierung von Bauprojekten: Das Bundesamt für Naturschutz fordert Bauprojekte sowohl zeitlich wie räumlich abzustimmen. Damit werden Ruhephasen und Rückzugsgebiete für Tiere, wie den empfindlichen Schweinswal, gewährleistet. So stört Lärm die Paarung und Kalbung nicht.
🎧 Schallschutzvorschriften: Deutschland hat als erstes europäisches Land Lärmgrenzen unter Wasser festgesetzt. Solche Grenzwerte müssen nun auch international festgeschrieben werden. Das Museum für Naturkunde fordert eine globale Strategie zur Lärmkontrolle. Dazu gehört auch die Überwachung der Einhaltung.
🚫 Verbote: Airguns müssen durch andere Vibrations-Verfahren ersetzt werden. Die "Vibroseismik" kommt bereits an Land zum Einsatz und kann für das Meer weiterentwickelt werden. Umweltschützer:innen fordern auch das Verbot von Militär-Sonar. Munition soll geborgen statt gesprengt werden.
🚨 Geschwindigkeitsbegrenzung: Die Naturschutzorganisation BUND fordert, die Geschwindigkeit von Containerschiffen weltweit um 20 Prozent zu reduzieren. Dies würde ihren Lärm um 60 Prozent verringern. Die lautesten Schiffe müssen entfernt werden. Denn die Hälfte der Schallstärke stammt von 15 Prozent der Schiffe.
🌏 Meeresschutzzonen: Die UN will weitere Meeresschutzzonen einrichten, derzeit gelten über sieben Prozent der Meeresfläche als geschützte Gebiete. In den Schutzgebieten muss zukünftig besser darauf geachtet werden, dass auch Lärm eine Umweltverschmutzung darstellt.
🔩 Technische Verfahren: Die Verbesserung von Schiffstechnik kann ebenso Lärm reduzieren wie andere technische Innovationen. Blasenschleier, die beim Bau von Bohrinseln oder Windkraftanlagen um das Fundament gepustet werden, reduzieren die Lautstärke um bis zu 90 Prozent.