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Kultur

Remigration, Gutmensch und Co.: Wer entscheidet eigentlich über das Unwort des Jahres?

  • Aktualisiert: 17.01.2024
  • 11:47 Uhr
  • Carina Neumann-Mahlkau
Eine Jury aus Sprach-Fachleuten gibt jährlich das Unwort des Jahres bekannt. Mit der unrühmlichen Ehrung soll die Öffentlichkeit aufmerksamer für unangebrachten Sprachgebrauch werden.
Eine Jury aus Sprach-Fachleuten gibt jährlich das Unwort des Jahres bekannt. Mit der unrühmlichen Ehrung soll die Öffentlichkeit aufmerksamer für unangebrachten Sprachgebrauch werden.© picture alliance/dpa | Nadine Weigel

Eine Jury aus Sprach-Fachleuten gibt jährlich das Unwort des Jahres bekannt. Dieses Jahr wurde der Begriff "Remigration" gewählt. Mit der unrühmlichen Ehrung soll die Öffentlichkeit aufmerksamer für unangebrachten Sprachgebrauch werden. Wer zur Jury gehört und wie die Expert:innen ihre Auswahlen begründen, erfährst du hier.

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Das Wichtigste zum Unwort des Jahres

  • Eine unabhängige Fach-Jury wählt auf der Grundlage von online eingesendeten Vorschlägen das Unwort des Jahres aus.

  • Ziel der sprachkritischen Aktion ist es, mehr öffentliches Bewusstsein für respektlosen Sprachgebrauch zu schaffen.

  • Das Unwort des Jahres 2023 ist "Remigration". Zu den Unwörtern der Vorjahre zählen unter anderem "Klimaterroristen""Corona-Diktatur" und "Pushback".

Wer steckt hinter dem Unwort des Jahres?

Der Erfinder des jährlich gekürten Unworts ist der Sprachwissenschaftler Horst Dieter Schlosser. Er rief die sprachkritische Aktion 1991 ins Leben.

Schlosser war bis 2010 der Vorsitzende und Sprecher der Jury. Von 2011 bis 2020 übernahm die Linguistin Nina Janich diesen Posten.

Er ist der Erfinder des Unworts: Sprachwissenschaftler Horst Dieter Schlosser.
Er ist der Erfinder des Unworts: Sprachwissenschaftler Horst Dieter Schlosser.© picture-alliance/ dpa/dpaweb | Arne Dedert
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Unwort des Jahres: Wer ist heute Teil der Jury?

Seit dem Jahr 2021 ist die sprachwissenschaftliche Kollegin Prof. Dr. Constanze Spieß die Sprecherin der Jury.

Komplettiert wird das unabhängige, sechsköpfige Gremium von den weiteren Linguist:innen Dr. Kristin Kuck, Prof. Dr. David Römer und Prof. Dr. Martin Reisigl, der Journalistin Alexandra-Katharina Kütemeyer sowie einem jährlich wechselnden sprachinteressierten Mitglied.

Constanze Spieß, Sprachwissenschaftlerin an der Philipps-Universität Marburg und Jury-Sprecherin, präsentiert das Unwort des Jahres 2023 "Remigration".
Constanze Spieß, Sprachwissenschaftlerin an der Philipps-Universität Marburg und Jury-Sprecherin, präsentiert das Unwort des Jahres 2023 "Remigration". © picture alliance/dpa | Nadine Weigel

Unwort des Jahres 2023: "Remigration"

Für die Wahl des Unwortes 2023 wurden insgesamt über 2.300 Vorschläge eingereicht - doppelt so viele wie im Vorjahr. Letztendlich fiel die Entscheidung auf "Remigration". Die Jury begründete ihre Wahl damit, dass der Begriff besonders "in der Identitären Bewegung, in rechten Parteien sowie weiteren rechten bis rechtsextremen Gruppierungen zu einem Euphemismus für die Forderung nach Zwangsausweisung bis hin zu Massendeportationen von Menschen mit Migrationshintergrund geworden" sei. Außerdem handle es sich um eine beschönigende Tarnvokabel, um die tatsächlichen Absichten zu verschleiern.

"Sozialklimbim" wurde auf den zweiten Platz gewählt. Das Wort werde oft im Zusammenhang mit Diskussionen über die Kindergrundsicherung verwendet und stehe laut der Jury für eine diskriminierende Rhetorik.
Den dritten Platz in der Unwortwahl belegte der Begriff "Heizungs-Stasi", der als Ausdruck populistischer Kritik an Klimaschutzmaßnahmen interpretiert wird.

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Unwörter der letzten Jahre und deren Begründungen

Unwörter der letzten Jahre und deren Begründungen

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2022: Der Begriff "Klimaterroristen" fiel in der Vergangenheit besonders im Zusammenhang mit Protest-Aktionen von Klima-Aktivist:innen. In der Begründung der Jury heißt es, das Wort diskreditiert Proteste für mehr Klimaschutz.
© picture alliance/dpa | Robert Michael

2022: Der Begriff "Klimaterroristen" fiel in der Vergangenheit besonders im Zusammenhang mit Protest-Aktionen von Klima-Aktivist:innen. In der Begründung der Jury heißt es, das Wort diskreditiert Proteste für mehr Klimaschutz.

Das englische Wort "Pushback" fand 2021 vor allem in der Diskussion zur Einwanderung über europäische Außengrenzen Verwendung. Mit der Auszeichnung als Unwort des Jahres wollte die Jury für die Verharmlosung des damit bezeichneten menschenfeindlichen Vorgangs gegenüber Asylsuchenden aufmerksam machen.
© picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Das englische Wort "Pushback" fand 2021 vor allem in der Diskussion zur Einwanderung über europäische Außengrenzen Verwendung. Mit der Auszeichnung als Unwort des Jahres wollte die Jury für die Verharmlosung des damit bezeichneten menschenfeindlichen Vorgangs gegenüber Asylsuchenden aufmerksam machen.

2020: "Corona-Diktatur" und "Rückführungs-Patenschaften". Das erste Wort verharmlose tatsächliche Diktaturen und der zweite Ausdruck sei eine zynische Beschönigung für Abschiebungen.
© picture alliance/dpa/Malte Krudewig/Dpa | Malte Krudewig

2020: "Corona-Diktatur" und "Rückführungs-Patenschaften". Das erste Wort verharmlose tatsächliche Diktaturen und der zweite Ausdruck sei eine zynische Beschönigung für Abschiebungen.

2019: "Klima-Hysterie". Die Wortverbindung ziehe wichtige Debatten zum Klimaschutz ins Lächerliche.
© picture alliance/dpa/Malte Krudewig/Dpa | Malte Krudewig

2019: "Klima-Hysterie". Die Wortverbindung ziehe wichtige Debatten zum Klimaschutz ins Lächerliche.

2018: "Anti-Abschiebe-Industrie". Laut der Jury unterstelle der Ausdruck Helfenden von abgelehnten Asylbewerber:innen, sie wollten kriminell gewordene Geflüchtete schützen und damit in großem Maßstab Geld verdienen.
© picture alliance/dpa | Klaus-Dietmar Gabbert

2018: "Anti-Abschiebe-Industrie". Laut der Jury unterstelle der Ausdruck Helfenden von abgelehnten Asylbewerber:innen, sie wollten kriminell gewordene Geflüchtete schützen und damit in großem Maßstab Geld verdienen.

2017: "Alternative Fakten". Die Wortgruppe deute an, bewiesene Tatsachen seien durch nicht belegbare Behauptungen austauschbar.
© picture alliance / Boris Roessler/dpa | Boris Roessler

2017: "Alternative Fakten". Die Wortgruppe deute an, bewiesene Tatsachen seien durch nicht belegbare Behauptungen austauschbar.

Warum küren die Fachleute das Unwort des Jahres?

☝ Die Jury möchte mit der sprachkritischen Auszeichnung auf unangemessenen Sprachgebrauch aufmerksam machen.

🤝 Die Sprach-Fachleute erarbeiten das Unwort des Jahres ehrenamtlich und aus der Überzeugung, dass Sprachkritik wichtig für eine Gesellschaft ist.

❌ Dabei geht es nicht darum, als eine vermeintliche "Sprachpolizei" die deutsche Sprache vor "falschem" Sprachgebrauch zu schützen.

🧐 Vielmehr ist es das Ziel, ein öffentliches Bewusstsein für eine vernebelnde oder beleidigende Verwendung von Sprache zu schaffen.

🛑 Denn herabwürdigende Ausdrücke sind nicht von allein Unwörter, sondern erst ein unangemessener Gebrauch macht sie dazu.

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Das Verfahren zum Unwort des Jahres

Alle Interessenten können ganzjährig Vorschläge zum Unwort des Jahres online einreichen. Wichtig sind eine kurze Begründung und Quellenangaben.

Die Jury diskutiert die eingesendeten Vorschläge nach inhaltlichen Kriterien und ist dabei institutionell unabhängig. Das bedeutet, weder Universitäten noch Vereine oder Verlage beeinflussen die Entscheidung der Sprach-Fachleute. In der ersten Januarhälfte des Folgejahres gibt die Jury den unrühmlichen Gewinner im Rahmen einer Pressekonferenz bekannt.

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Kriterien bei der Wahl zum Unwort des Jahres

❗ Der sprachkritischen Jury geht es um Ausdrücke in der öffentlichen Kommunikation, die "gegen sachliche Angemessenheit oder Humanität verstoßen". Derartige Unwörter erfüllen mehrere inhaltliche Bedingungen. Sie …

1️⃣ … verletzen die Menschenwürde.

2️⃣ … widersprechen demokratischen Prinzipien.

3️⃣ … diskriminieren oder stigmatisieren Gesellschaftsgruppen.

4️⃣ … verschleiern Sachverhalte.

❗ Keine Rolle spielt hingegen die Anzahl der Befürworter:innen eines vorgeschlagenen Ausdrucks.

Die häufigsten Fragen zu Unwort des Jahres

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