Dr. Stefanie Müller existiert nicht
AfD in Göppingen macht Wahlwerbung mit falscher KI-Frau
- Veröffentlicht: 21.03.2024
- 14:44 Uhr
- Joachim Vonderthann
Darf man mit einer Frau, die es gar nicht gibt, werben? Die AfD im baden-württembergischen Göppingen hat kein Problem damit. Doch ist das auch erlaubt?
Das Wichtigste in Kürze
Die AfD in Göppingen hat auf Instagram mit einem KI-erzeugten Frauengesicht geworben.
Die angebliche Dr. Stefanie Müller gibt es in der Form aber gar nicht, sind sich Experten sicher.
Was Juristen zur Rechtmäßigkeit solcher Fake-Bilder im Wahlkampf sagen.
Die AfD im baden-württembergischen Göppingen hat mit dem Gesicht einer nicht-existenten Frau geworben. Das Bild, das auf Instagram gepostet wurde und angeblich eine Dr. Stefanie Müller zeigt, sei mithilfe von Künstlicher Intelligenz erzeugt worden, berichtet "Tagesschau.de" am Donnerstag (21. März) unter Berufung auf Experten. Das bestätigte inzwischen auch der AfD-Kreisverband.
Fake-Frau wirbt als AfD-Mitglied
Auf die Frage, ob das Bild der blonden Frau gefälscht sei, sagte der KI-Forscher Marco Huber vom Fraunhofer Institut in Stuttgart dem SWR: "Da bin ich mir zu 100 Prozent sicher. Also das ist ein relativ schlechtes Bild. Da hat man sich wenig Mühe gegeben oder vielleicht auch ein altes KI-System genutzt."
Huber erklärt genau, was ihn zu seiner Einschätzung führt: "Die Fältchen am Auge sind sehr unnatürlich. Und sehr häufig sieht man es an den Pupillen. Die sind beim Menschen sehr rund, das sind sie in diesem Fall nicht." Für gewöhnlich sehe man auch Glanzpunkte, also kleine Lichtpunkte in den Augen, führt der KI-Fachmann weiter aus. Diese seien bei einem echten Bild symmetrisch. Beim Foto von Dr. Stefanie Müller sei das aber nicht so. Auch die Übergänge zwischen Haut und Lippen, die Form der Oberlippe und der Kragen vom Hemd seien unnatürlich, so Huber.
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AfD-Verband räumt KI-Einsatz ein
Auf dem Instagram-Post erklärt die offensichtliche Fake-Frau, wieso sie AfD-Mitglied geworden sei. Der AfD-Kreisvorsitzende Sandro Scheer bestätigte am Donnerstag, dass er das Bild mit einer Künstlichen Intelligenz erstellt habe, auch der Name der Frau sei nicht korrekt. Es sei aber eine Dr. Stefanie in den Kreisverband eingetreten und habe ihre Motivation dazu ähnlich geschildert, wie im Post beschrieben. Um die Frau zu schützen, wollte er demnach nicht ihren echten Namen nennen. Mit Fake News hat der Post laut Scheer nichts zu tun, es sei klar erkennbar, dass das Foto keine echte Person zeige.
Dem SWR hatte Scheer zur Begründung noch gesagt: "In einer Zeit, in der AfD-Mitglieder oder Wirte, die für AfD-Veranstaltungen ihre Räume zur Verfügung stellen, angegriffen oder bedroht werden, deren Häuser beschmiert oder Radschrauben gelockert werden, können und wollen wir unsere Neumitglieder nicht einer entsprechenden Gefahr aussetzen."
Experten erklären, woran man KI-Bilder erkennt
Neben Marco Huber vom Fraunhofer Institut kommt auch Carsten Rother vom Computer Vision und Learning Lab der Universität Heidelberg zu dem Ergebnis, dass das von der AfD gepostete Foto ein Fake ist. "Der Scheitel hat eine viel zu klare Kante. Die Pupillen haben unterschiedliche Formen. Es gibt mit sehr großer Wahrscheinlichkeit keine Kamera, die so ein Bild aufnehmen kann, da runde Pupillen sich nicht beliebig verformen können in unterschiedlichen Bereichen des Bildes. Das widerspricht dem Gesetz einer perspektiven Projektion", sagte er.
Dem "Tagesschau.de"-Bericht zufolge verwendet nicht nur die AfD in Göppingen Künstliche Intelligenz für Bilder. So sei auch in Esslingen zum Ramadan-Start mit einem KI-Foto für ein "deutsches Grillfest" geworben worden. Auch die AfD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg benutzt immer wieder Bilder, die eine falsche Wirklichkeit darstellten. Als Beispiele nennt der Bericht einen schwer bewachten Weihnachtsmarkt unter Stacheldraht oder einen arabisch-stämmigen Mann mit Bankkarte.
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Sind KI-Fotos für Wahlwerbung erlaubt?
Doch sind solche KI-Bilder im politischen Raum nur moralisch fragwürdig oder auch illegal? Illegal sind sie tatsächlich nicht, betont der ARD-Rechtsexperte Kolja Schwarz. "Die Beeinflussung von Wählern durch Informationen, die nicht stimmen oder im Speziellen durch Fotos, die eine Künstliche Intelligenz erstellt hat, ist in Deutschland nicht strafbar", sagt er. Strafbar sei es hingegen schon jetzt, "wenn man Fotos von realen Personen nur verändert und ohne ihr Einverständnis veröffentlicht".
Die Wissenschaftlerin Jutta Jahnel vom Karlsruher Institut für Technologie sieht in KI-Bildern eine zunehmende Gefahr für die Demokratie. Es sei problematisch, wenn es um den Diskurs und die Meinungsbildung, aber auch um Wahlen oder die Kommunikation im Allgemeinen gehe, warnt sie. "Das heißt, wir haben hier auch zunehmend ein Instrument, wo man auch mehr Polarisierung in der Kommunikation einsetzen kann und zum Beispiel auch einzelne Personen dann schlechter darstellen kann - wie zum Beispiel Politiker."
Auch KI-Experte Huber blickt skeptisch in die Zukunft. Aktuell könne man künstlich erzeugte Fotos noch erkennen. Aber schon jetzt seien beim Einsatz hochwertiger Programme kaum mehr Unterschiede zu realen Gesichtern zu erkennen. "Und dann können sie sich vorstellen, dass man einem Politiker eine Rede andichtet, die er so nicht gehalten hat."
Der einzige Ausweg für Huber heißt: "Bildung, Bildung, Bildung." Schon in der Schule müssten Kinder lernen, KI-generierte Bilder zu identifizieren, forderte er. Ein generelles Verbot von Künstlicher Intelligenz, besonders an Schulen, halte er hingegen für den falschen Weg.
- Verwendete Quellen:
- Nachrichtenagentur dpa