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13 Jahre unschuldig im Gefängnis

Freispruch im Prozess um "Badewannen-Mord"

  • Aktualisiert: 07.07.2023
  • 16:38 Uhr
  • Anne Funk
Manfred Genditzki wurde im August 2022 nach 4.912 Tagen aus der Haft entlassen, weil es erhebliche Zweifel daran gibt, dass er den Mord tatsächlich begangen hat.
Manfred Genditzki wurde im August 2022 nach 4.912 Tagen aus der Haft entlassen, weil es erhebliche Zweifel daran gibt, dass er den Mord tatsächlich begangen hat.© Sven Hoppe/dpa

Im Münchner Prozess um den sogenannten Badewannen-Mord von Rottach-Egern ist der angeklagte Manfred Genditzki am Freitag (7. Juli) freigesprochen worden.

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Der angeklagte Manfred Genditzki ist im Münchner Prozess um den sogenannten Badewannen-Mord von Rottach-Egern freigesprochen worden. Er hatte für die vermeintliche Tat rund 13 Jahre im Gefängnis gesessen und jahrelang für das Wiederaufnahmeverfahren gekämpft.

"Jetzt ist es so weit. Sie haben den Tenor gehört, auf den Sie fast 14 Jahre lang gewartet haben", sagte die Vorsitzende Richterin Elisabeth Ehrl am Freitag (7. Juli). Es sei ein steiniger Weg für den Angeklagten gewesen, den er mit bewundernswerter Geduld gegangen sei. Die Staatskasse müsse ihn für die zu Unrecht verhängte Gefängnisstrafe entschädigen. Genditzki nahm das Urteil ruhig und gefasst auf, im Zuschauerraum gab es Tränen.

Auch die Richterin kämpft mit den Tränen

"Es tut uns wirklich aufrichtig leid", sagt die Vorsitzende Richterin Elisabeth Ehrl bei der Urteilsbegründung und war sichtlich ergriffen. Am Schluss schien sie sogar mit den Tränen zu kämpfen. Es tue dem Gericht leid, "dass Sie mitten aus Ihrem normalen Leben gerissen wurden", dass es ihm nicht vergönnt gewesen sei, seine "beiden jüngeren Kinder aufwachsen zu sehen, zur Beerdigung Ihrer Mutter zu gehen".

Dann wird die Richterin noch einmal deutlich: "Warum konnte Herr Genditzki damals überhaupt verurteilt werden", fragt sie und zeigt sich "sehr verwundert über die damalige Ermittlungsarbeit". "Wir können letztlich nicht beurteilen, warum damals und in den folgenden Jahren alles irgendwie schiefgelaufen ist." Ihr scheine es aber so, "als ob hier manches sehr einseitig verarbeitet und zulasten von Herrn Genditzki" ausgelegt worden sei. Weiter spricht sie von einer "Kumulation von Fehlleistungen" und dass "Kontrollmechanismen hier nicht funktioniert haben". 

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Nicht nur die Verteidigung, auch die Staatsanwaltschaft hatte einen Freispruch gefordert, weil es nicht nur Zweifel daran gibt, dass Genditzki den Mord an einer alten Frau begangen hat, sondern auch daran, dass es überhaupt ein Verbrechen gab. Aus Sicht von Gutachtern, die in dem Prozess zu Wort kamen, ist ein Unfall der Seniorin möglich oder sogar wahrscheinlich.

Als Genditzki am Freitag aus dem Gerichtssaal kommt, gibt es Applaus. Angehörige, Freund:innen und Unterstützer:innen fallen ihm um den Hals, viele weinen. Das Gesicht des 63-Jährigen dagegen verrät nichts über seine Gefühle. "Ich werde keine Freudensprünge machen", sagt er. "Einen Grund zum Jubeln habe ich nicht, 14 Jahre sind weg."

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Entschädigungszahlungen laut Kritikern viel zu gerin

Der inzwischen 63 Jahre alte Genditzki, der in der Wohnanlage der Getöteten als Hausmeister tätig war, war 2010 vom Landgericht München II zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Nach Überzeugung des Schwurgerichts hatte er die Seniorin im Oktober 2008 in deren Wohnung im oberbayerischen Rottach-Egern nach einem Streit auf den Kopf geschlagen und dann in der Badewanne ertränkt.

Er hat die Vorwürfe stets bestritten - so auch in seinem letzten Wort im neuen Prozess: "Und: Ich möchte noch sagen, ich bin unschuldig. Das war's."

Manfred Genditzki wird nach der Urteilsverkündung von Angehörigen, Freunden und Unterstützern empfangen.
Manfred Genditzki wird nach der Urteilsverkündung von Angehörigen, Freunden und Unterstützern empfangen.© Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Nach dem Freispruch stehen ihm Entschädigungszahlungen zu, die Kritiker für viel zu gering halten. Nach Angaben des Justizministeriums bekommt ein zu Unrecht Inhaftierter 75 Euro Entschädigung pro Haft-Tag. Das wären in Genditzkis Fall insgesamt 368.400 Euro für Jahre, in denen er seine Kinder nicht sah und die Geburt des Enkelkindes verpasste. Bis vor einigen Jahren lag der Satz sogar nur bei 25 Euro pro Tag. Zusätzlich zur Entschädigung kann Genditzki noch materiellen Schaden geltend machen, beispielsweise wegen Verdienstausfalls.

Nach dem Urteil ist Genditzki in ein Münchner Wirtshaus gefahren, wo er sich mit Unterstützer:innen, Journalist:innen, Freund:innen und Angehörigen traf. Er stößt an, man umarmt ihn, klopft ihm auf die Schulter. Er wolle aber nicht lange bleiben, sagt er. Zum Feiern sei ihm nicht zumute.

  • Verwendete Quellen:
  • Nachrichtenagentur dpa
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