"Neue Entschlossenheit"
Ex-Bundespräsident Gauck: Brauchen Begrenzung bei Zuwanderung
- Veröffentlicht: 18.09.2023
- 08:41 Uhr
- Joachim Vonderthann
Sein Wort hat in der politischen Debatte weiter Gewicht: Jetzt fordert Ex-Bundespräsident Gauck beim Thema Migration dringlich ein Umdenken.
Das Wichtigste in Kürze
Ex-Bundespräsident Joachim Gauck spricht sich für eine Begrenzungsstrategie bei der Migration aus.
Ansonsten drohe ein weiteres Erstarken rechter Parteien.
Gauck verweist auf das Beispiel Dänemark, wo es gelungen sei, eine rechtspopulistische Partei unter drei Prozent zu drücken.
Er mischt sich von Zeit zu Zeit mit klugen und auch unbequemen Beiträgen in die politische Debatte ein. Jetzt hat sich der frühere Bundespräsident Joachim Gauck das Thema Migration vorgenommen und vehement zum Regierungshandeln aufgerufen. Die Politik müsse entdecken, "dass die bisherigen Maßnahmen nicht ausgereicht haben, um den Kontrollverlust, der offensichtlich eingetreten ist, zu beheben", mahnte Gauck in der ZDF-Sendung "Berlin direkt".
Gauck: Kontrollverlust bei Migration
Das frühere deutsche Staatsoberhaupt forderte eine "neue Entschlossenheit" in der europäischen Flüchtlingspolitik. Nur so könne den Bevölkerungen in Europa der Eindruck vermittelt werden, dass die Regierungen handlungswillig und -fähig seien. "Und dazu bedarf es offenkundig auch der Debatte neuer Wege und nicht nur das Drehen an Stellschrauben."
Europa und Deutschland müssten zwar "offen und einladend" bleiben, so Gauck. Jedoch müssten Sorgen in der Bevölkerung vor einem Verlust an Sicherheit und Überschaubarkeit ernst genommen werden. Sonst drohe ein weiterer Rechtsruck. In vielen europäischen Staaten erstarken rechtspopulistische Parteien und sind teils schon in Regierungsverantwortung. Auch in Deutschland ist die AfD in aktuellen Umfragen bundesweit die zweitstärkste Kraft in der CDU und CSU.
Gauck: Keine Zuwanderung in Sozialsysteme
Es kann aber auch gelingen, den Rechtsruck einzudämmen. Gauck verwies in diesem Zusammenhang auf das Beispiel Dänemark, wo die regierenden Sozialdemokraten einen strikten Einwanderungskurs fahren. Da hätten sich viele erschrocken, gerade progressive Menschen, sagte der Ex-Bundespräsident. Es sei aber gelungen, so eine nationalpopulistische Partei unter drei Prozent zu halten.
"Das heißt: Wir müssen Spielräume entdecken, die uns zunächst unsympathisch sind, weil sie inhuman klingen." Es bestehe etwa die Gefahr, dass die "wunderbare Solidarität" der Bevölkerung schwinde. Er sei daher dazu gekommen, "dass es vielleicht auch moralisch überhaupt nicht verwerflich ist und politisch sogar geboten, eine Begrenzungsstrategie zu fahren".
Gauck betonte weiter: "Wir müssen zwei Dinge zusammenbringen: Wir brauchen Zuwanderung, aber wir brauchen keine Zuwanderung in unsere Sozialsysteme, ohne dass die Fachkräfte, die wir brauchen, vorhanden sind."
Lampedusa: Italien will durchgreifen
Die mahnenden Worte von Gauck fallen zusammen mit der aktuellen Migrationskrise im italienischen Lampedusa. Auf der kleinen Mittelmeerinsel zwischen Sizilien und Nordafrika waren in der vergangenen Woche Tausende Migranten angekommen. Allein am Dienstag zählten die Behörden rund 5.000 Menschen, die auf Booten den Hafen der Insel erreichten - so viele wie noch nie an einem einzigen Tag. Mittlerweile wurden sehr viele Menschen von Lampedusa nach Sizilien oder in Unterkünfte auf dem Festland gebracht. Trotzdem ist das Erstaufnahmelager der Insel weiter völlig überlastet.
Wegen der Zustände auf Lampedusa will das italienische Kabinett an diesem Montag (18. September) ein Maßnahmenpaket zur Eindämmung irregulärer Migration auf den Weg bringen. Die rechte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni will nach eigenen Worten "außergewöhnliche Maßnahmen" ergreifen. Bereits zuvor kündigte sie Beschlüsse zur Verschärfung der Abschiebehaft sowie die Einrichtung von Abschiebehaftanstalten durch das Militär an. Am Sonntag hatte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen Italien europäische Unterstützung zugesichert.
- Verwendete Quellen:
- Nachrichtenagentur dpa