"Entscheidung nicht leicht gemacht"
Gefangenen-Austausch: Scholz unterbricht Urlaub und kündigt Erklärung an
- Aktualisiert: 01.08.2024
- 21:18 Uhr
- dpa
"Die Bundesregierung hat sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht", erklärte Regierungssprecher Hebestreit nach dem Gefangenen-Austausch zwischen Russland und westlichen Staaten. Bundeskanzler Scholz werde sich noch am späten Donnerstagabend dazu äußern.
Russland, Belarus und mehrere westliche Länder haben in einer beispiellosen Aktion unter Beteiligung des türkischen Geheimdienstes MIT am Donnerstag (1. August) insgesamt 26 Gefangene ausgetauscht. Im Gegenzug für die Freilassung politischer Gefangener und Kremlkritiker ließen Deutschland, die USA und Partnerländer einen verurteilten Mörder und unter Spionageverdacht stehende Akteure aus Russland gehen.
So überstellte Deutschland bei der Übergabe auf dem Flughafen der türkischen Hauptstadt Ankara den sogenannten Tiergartenmörder. Belarus ließ den zunächst zum Tode verurteilten und später begnadigten Deutschen Rico K. frei. Auch der Deutsche Patrick S., der wegen Cannabis-Gummibärchen im Gepäck am Flughafen in Sankt Petersburg festgenommen worden war, wurde an Deutschland übergeben. Russland ließ außerdem den wegen Spionage verurteilten Korrespondenten des "Wall Street Journal", Evan Gershkovich und den ehemaligen US-Soldaten Paul Whelan frei.
Scholz bricht Urlaub ab
Die Aktion wurde vom MIT koordiniert, wie dieser mitteilte. Das Weiße Haus in Washington und die Bundesregierung bestätigten den Austausch. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) unterbrach seinen Urlaub und will sich noch am späten Donnerstagabend äußern. Insgesamt wurden zehn Personen an Russland übergeben, darunter nach türkischen Angaben auch zwei Kinder - das Alter wurde nicht genannt. Auf der anderen Seite kamen fünf Deutsche, drei US-Bürger, eine Person mit US-Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis (Green Card) und sieben russische Staatsbürger frei, darunter prominente Kremlgegner wie Wladimir Kara-Mursa und Ilja Jaschin.
Gewaltverbrecher gegen politische Gefangene
"Die Bundesregierung hat sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht", erklärte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin. "Dem staatlichen Interesse an einer Vollstreckung der Freiheitsstrafe eines verurteilten Verbrechers standen die Freiheit, das körperliche Wohlergehen und – in einigen Fällen – letztlich auch das Leben unschuldig in Russland inhaftierter Personen und zu Unrecht politisch Inhaftierter gegenüber." Möglich war der Deal nach Hebestreits Angaben nur, "indem russische Staatsangehörige mit geheimdienstlichem Hintergrund, die in Europa in Haft saßen", nach Russland überstellt wurden.
Lob an Scholz von Joe Biden
US-Präsident Joe Biden trat in Washington gemeinsam mit Angehörigen der aus russischer Haft freigelassenen Amerikaner vor die Kameras: "Ich bin vor allem dem Bundeskanzler zu großem Dank verpflichtet." Angesichts der Forderungen aus Russland habe er "erhebliche Zugeständnisse" von Deutschland erbitten müssen. Mehrere Partner hätten "mutige" Entscheidungen getroffen, indem sie Gefangene freigelassen hätten, die in ihren Ländern zu Recht festgehalten worden seien - um am Ende Amerikaner nach Hause zu bringen.
Geheimdienst: Historische Operation
Die 26 Gefangenen waren den MIT-Angaben zufolge zuvor aus Russland, den USA, Deutschland, Polen, Norwegen und Slowenien wo sie jeweils inhaftiert waren nach Ankara geflogen worden. Alle seien zunächst an sichere Orte gebracht und medizinisch untersucht worden, Dokumente seien unterzeichnet worden. Schließlich wurden demnach zehn Personen nach Russland geflogen. 13 Betroffene wurden nach Deutschland und drei in die USA ausgeflogen, hieß es weiter. Der Geheimdienst sprach von einem historischen Austausch und dem umfangreichsten zwischen Russland, den USA und Deutschland in der jüngsten Vergangenheit.
Unter den deutschen Staatsbürgern, die freikamen, ist neben Rico K. und Patrick S. auch der 19-jährige Deutsch-Russe Kevin L. und der Politologe Demuri W., die beide wegen Landesverrats verurteilt worden waren, und der wegen Landesverrats angeklagte Aktivist German M.