Wegen Inflation
Historisch hoch: EZB hebt Leitzins um 0,75 Prozentpunkte an
- Veröffentlicht: 08.09.2022
- 15:36 Uhr
- dpa
Die EZB hat den Leitzins um 0,75 Punkte angehoben. Das ist die größte Erhöhung seit Einführung des Euro-Bargelds. Mit der Erhöhung versucht die Notenbank, die Inflation einzudämmen. Volkswirte und Experten sehen aber mehr Handlungsbedarf.
DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE:
- Die EZB hat den Leitzins um 0,75 Punkte angehoben.
- Das ist die größte Zinserhöhung in der Geschichte der Europäischen Zentralbank.
- Das Ziel der Zinserhöhung: Die steigende Inflation eindämmen.
- Volkswirte und Wirtschaftsexperten sehen aber weitere Schritte für notwendig.
Zinserhöhung gegen die Rekord-Inflation
Die Europäische Zentralbank (EZB) stemmt sich mit einer historischen Zinserhöhung gegen die Rekordinflation im Euroraum. Erstmals in der Geschichte der Notenbank beschloss der EZB-Rat eine Zinsanhebung um 0,75 Prozentpunkte. Damit steigt der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Geld bei der EZB leihen können, auf 1,25 Prozent, wie die Notenbank am Donnerstag in Frankfurt mitteilte. Die EZB stellte zugleich weitere Zinserhöhungen in den nächsten Monaten in Aussicht.
Signalisiert hatte der EZB-Rat für seine September-Sitzung bereits frühzeitig eine weitere Zinserhöhung um 0,5 Prozentpunkte. Doch weil die Teuerungsrate zuletzt weiter anzog, nahm der Druck auf die Euro-Währungshüter zu, einen größeren Schritt zu beschließen. Höhere Zinsen können steigenden Teuerungsraten entgegenwirken.
Nach langem Zögern hatte der EZB-Rat bei seiner Sitzung am 21. Juli erstmals seit elf Jahren die Zinsen im Euroraum wieder angehoben. Zur Freude von Millionen Sparern beendete die Notenbank die Phase der Negativzinspolitik: Geschäftsbanken müssen seither nicht mehr 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken. Viele Banken nahmen dies zum Anlass, sogenannte Verwahrentgelte für ihre Kunden abzuschaffen. Der sogenannte Einlagensatz steigt nach der EZB-Entscheidung vom Donnerstag auf 0,75 Prozent.
Kein Ende der Preissteigerungen in Sicht
Die EZB hatte die hohe Inflation lange als vorübergehend interpretiert und hat deutlich später als andere viele andere Zentralbanken die Zinswende eingeleitet. Die US-Notenbank Fed beispielweise hat ihre Leitzinsen bereits mehrfach nach oben geschraubt, dabei zweimal um jeweils 0,75 Prozentpunkte.
Ein Ende der Preissteigerungen im Euroraum ist nicht in Sicht: Im August kletterte die Inflation im Währungsraum der 19 Länder getrieben von steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen auf die Rekordhöhe von 9,1 Prozent. Volkswirte rechnen für die nächsten Monate mit einem weiteren Anstieg. Die EZB strebt für den gemeinsamen Währungsraum mittelfristig ein stabiles Preisniveau bei einer Jahresteuerung von zwei Prozent an.
Für immer mehr Menschen werde die hohe Inflation zu einer enormen Belastung, sagte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel jüngst. Nagel, der im EZB-Rat über die Geldpolitik mitentscheidet, sprach sich für eine "kräftige Zinsanhebung" im September aus und erklärte: "Und in den folgenden Monaten ist mit weiteren Zinsschritten zu rechnen." Die Geldpolitik müsse die hohe Teuerung entschlossen bekämpfen.
Zugleich gibt es unter Währungshütern Sorge, mit einer zu schnellen Normalisierung der zuvor jahrelang ultralockeren Geldpolitik die Konjunktur zu bremsen, die ohnehin mit Lieferengpässen und den Folgen des Ukraine-Krieges etwa auf dem Energiemarkt zu schaffen hat. Die EZB behält sich daher vor, über Anleihenkäufe hochverschuldeten Euro-Staaten unter die Arme zu greifen.