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Trotz Ukraine-Krieg

Siegerlaune im Kreml: Rückkehr ausländischer Firmen nach Russland?

  • Veröffentlicht: 07.04.2025
  • 15:32 Uhr
  • dpa
Volkswagen setzt sein Russland-Geschäft wegen des Krieges gegen die Ukraine aus. (Symbolbild)
Volkswagen setzt sein Russland-Geschäft wegen des Krieges gegen die Ukraine aus. (Symbolbild)© Igor Russak/dpa

Der Kreml und das Weiße Haus nähern sich wieder an, in Russland reibt man sich schon die Hände. Kommt es trotz des Angriffs auf die Ukraine zu einem Ansturm westlicher Investoren?

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Inhalt

Drei Jahre nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine sind in einer Moskauer Fabrik des Elektronikkonzerns LG die Maschinen zur Produktion von Waschmaschinen und Kühlschränken wieder angelaufen. Vorerst testweise. Es gehe darum, nach mehrjährigem Stillstand Rost vorzubeugen, da es nun Anzeichen auf ein mögliches Kriegsende gebe, sagte ein Sprecher des südkoreanischen Konzerns russischen Medien dazu.

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Auch beim Autobauer Hyundai gibt es Bewegung. Beim größten russischen Online-Personalbeschaffer HeadHunter schalteten Tochterfirmen des Konzerns zuletzt mehrere Stellenanzeigen. Gesucht werden etwa Logistiker:innen und IT-Spezialist:innen. Das deute auf die Wiederaufnahme der Tätigkeit Hyundais in Russland hin, schrieben Medien in Seoul. Der Konzern hatte Ende 2023 seine Autofabrik in Petersburg für den symbolischen Preis von 7.000 Rubel (derzeit umgerechnet knapp 80 Euro) verkauft - sich allerdings eine Rückkaufoption gesichert.

Vor dem Hintergrund der Kehrtwende des Weißen Hauses gegenüber Moskau überdenken nicht nur asiatische Unternehmen die Lage neu. "In den letzten Wochen sind eine Reihe von Vorstandschefs nach Russland gereist", sagt ein Kenner der deutschen Wirtschaft. Offiziell möchte sich kaum jemand aus Wirtschaftskreisen äußern. Das Thema ist heikel angesichts der Sanktionen, die weiterhin gelten.

Deutsche jahrelang ein Schlüsselpartner

Lange Zeit waren die Deutschen führend in Russland. Der bilaterale Handel steigerte sich nach dem Fall des Eisernen Vorhangs schnell und erreichte dem Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft zufolge 2012 mit mehr als 80 Milliarden Euro seinen Höhepunkt. Die Russen lieferten Rohstoffe, vor allem Öl und Gas, die Deutschen Maschinen und Anlagen.

Vor dem Krieg investierten deutsche Unternehmen in Russland aber auch jahrelang im zweistelligen Milliardenbereich, selbst 2022 waren es noch mehr als 18 Milliarden Euro. Grund waren florierende Geschäfte trotz der politischen Unsicherheit spätestens seit der Krim-Annexion 2014. Den hochprofitablen Markt gaben die deutschen Unternehmen daher nur ungern auf.

Auch auf politischen und gesellschaftlichen Druck hin ist die Zahl der deutschen Firmen in Russland seit Kriegsbeginn von 3.400 auf knapp 2.000 gesunken. Noch deutlicher ist der Umsatz gefallen, weil viele der Verbliebenen ihr Geschäft eingefroren haben.

Die Deutschen waren beim Rückzug nicht allein. Die meisten großen westlichen Marken sind gegangen. Waren es auf deutscher Seite VW, Mercedes, Henkel, Adidas oder Siemens, so gingen auch McDonalds, Coca-Cola, Mars, Nike, Apple, IKEA, Toyota, Sony, Samsung oder die oben erwähnten Hyundai und LG.

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Russland hat Sanktionen getrotzt

Den erhofften Effekt haben die Sanktionen nicht gebracht. Russland hat 2024 nach offiziellen Angaben ein Wirtschaftswachstum von vier Prozent erzielt - deutlich mehr als die EU. Auch wenn das BIP-Wachstum vor allem durch das Ankurbeln der Rüstungsindustrie zustande kam und wenig über den Lebensstandard aussagt, kann sich Kremlchef Wladimir Putin der Loyalität der meisten Russen gewiss sein. Vor allem in der Provinz geht es vielen zuvor schlecht bezahlten Menschen besser - durch höhere Löhne in der Rüstungsindustrie, eine großzügige Bezahlung für Söldner in Putins Krieg oder die Hinterbliebenenrente für die Angehörigen der Gefallenen.

Der Kremlchef demonstrierte zuletzt immer deutlicher seine Siegesgewissheit - auch im wirtschaftlichen Bereich. Das Interesse ausländischer Unternehmen an der Rückkehr sei riesig und potenzielle Investoren stünden Schlange, deutete er bei öffentlichen Auftritten an. "Schon heute führen wir auf Initiative einiger unser Partner - zwar noch hinter verschlossenen Türen - Gespräche über deren mögliche Rückkehr", sagte er im März.

Der 72-Jährige, der seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine als "militärische Spezialoperation" verharmlost, die westlichen Sanktionen aber als "Wirtschaftskrieg" verdammt hat, erklärte dabei, es werde keine Vergünstigungen für Rückkehrer:innen geben. Im Gegenteil: Er werde dafür sorgen, dass die heimischen Betriebe Vorteile behielten. Wer von den Ausländer:innen geblieben sei, werde belohnt. Bei den anderen werde man sehr genau schauen, wie sie sich bei ihrem Abschied verhalten hätten.

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Keine aktuellen Pläne zur Rückkehr

Dem in Moskau zur Schau gestellten Optimismus zum Trotz wird der Traum vom "business as usual" vorerst unerfüllt bleiben, erwartet das unabhängige Portal "The Bell". Man habe gut 60 der von ihrem Umsatz her größten aus Russland weggegangenen Unternehmen zu ihren Plänen befragt. "Insgesamt haben wir 21 Antworten bekommen, in keiner davon ist von eindeutigen Plänen für eine Rückkehr nach Russland die Rede", teilte das Portal mit. So sähen Nokian Tyres, IKEA, Henkel, Nissan oder Wintershall DEA derzeit keine Perspektive. Nur drei Konzerne - Baker Hughes, Otis und Bosch - schauen sich die Lage an. Aber auch sie halten die Füße still.

Lediglich bei Plänen, ihr Geschäft in Russland zu verkaufen, treten Unternehmen nach Trumps Amtsantritt auf die Bremse. Das ist kein Wunder, da sie für ihre russischen Betriebe kaum etwas erhalten. Wer sich aus Russland zurückzieht, darf nach Regierungsverordnung nur zu maximal 60 Prozent des ohnehin niedrigen Schätzwertes verkaufen. Und darauf sind noch 35 Prozent Steuern und Abgaben fällig.

Es bleibe also kaum etwas übrig - und als Käufer:innen träten dann Vertraute von Putin auf, sagt ein Branchenkenner. Tatsächlich hat sich beispielsweise der Clan von Tschetschenenchef Ramsan Kadyrow die russischen Danone-Töchter gesichert. Daher warten die Firmenchefs nun lieber ab.

Neue Betriebe aufbauen will aber niemand. "Kein ausländischer Investor würde ohne staatliche Garantien aus dem Heimatland hierherkommen", stellte Ulf Schneider, Präsident der weiterhin auch in Russland tätigen Consultingagentur Scheider Group, klar. Eine solche Garantie aus Berlin ist derzeit illusorisch.

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Festliegende Gelder wieder nutzen

Tatsächlich gehe es bei der Neubewertung des russischen Marktes nach einem Fall der Sanktionen auch nicht darum, frische Gelder aus Deutschland zu transferieren, heißt es aus Kreisen der deutschen Wirtschaft. Vielmehr sollten bereits in Russland festliegende Gelder wieder angelegt werden. Dies allerdings ist eine Menge. Die deutschen Vermögenswerte in Russland wachsen trotz oder gerade wegen des laufenden Kriegs schnell. Derzeit seien es bereits mehr als 100 Milliarden Euro, schätzt die Deutsch-Russische Auslandshandelskammer. Das liegt daran, dass Kapital nicht aus Russland herausgebracht werden kann. Die Gewinne bleiben also in Russland, da Moskau die Ausfuhr von Dividenden unterbindet.

Dass die Lage mit den Rückkehrwilligen nicht ganz so rosig ist wie von russischen Offiziellen dargestellt, musste inzwischen sogar das Finanzministerium in Moskau einräumen. Bisher gebe es keine Anfragen ausländischer Unternehmen zu einer möglichen Wiederkehr, sagte Vizeminister Iwan Tschebeskow.

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