Russland-Revolte im Newsticker
SPD-Mann Müller: "Putin spürt, dass die Luft immer dünner wird"
- Aktualisiert: 28.06.2023
- 11:47 Uhr
- Carolin Ritter
"Putin spürt, dass die Luft immer dünner wird", sagt SPD-Mann Müller +++ "General Armageddon" wusste wohl von Wagner-Aufstandsplänen +++ Prigoschin ist in Belarus angekommen +++ Alle Infos zum Aufstand in Russland im Newsticker +++
Freitag, 30. Juni, 12.07 Uhr: Der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Müller ist der Ansicht, dass Russlands Präsident Putin nach dem Aufstand geschwächt und gedemütigt ist. "Es ist bemerkenswert, wie Putin von einem Söldner unter Druck gesetzt wird", so Müller gegenüber RTL und ntv. Putin spüre, dass die Luft immer dünner wird, so der SPD-Politiker. "Das ist eine Chance für die Ukraine." Doch er warnt auch vor möglichen Reaktionen aus dem Kreml: "Es kann sogar eine dramatischere Antwort aus Russland geben – vor allem, weil Putin so unter Druck steht."
Für Putin sei die aktuelle Situation sehr demütigend, vor allem weil er auf die Vermittlungsversuche vom belarussischen Präsidenten Lukaschenko angewiesen sei, sagt Müller. "Dass gerade diese zwielichtige Gestalt jetzt auch eine Rolle spielt, ist erstaunlich", so der SPD-Mann über Lukaschenko. Der belarussische Präsident würde jetzt eine noch stärkere Rolle gegenüber Russland einfordern, sagt der Außenpolitiker.
Auf die Frage, welche Gefahr davon ausgehe, dass die Wagner-Truppe in Belarus Zuflucht findet, sagt Müller: "Denen ist allen nicht zu trauen – Belarus, Russland und der Wagner-Truppe. Das sind mordende Söldner." Daher würde man jetzt klar an der Seite der Verbündeten in der Grenzregion stehen und jegliche Unterstützungen prüfen.
Putins "General Armageddon" wusste wohl von Wagner-Aufstandsplänen
Mittwoch, 28. Juni, 11:37 Uhr: Der stellvertretende Oberbefehlshaber der russischen Invasionstruppen in der Ukraine, Sergej Surowikin, soll einem US-Zeitungsbericht zufolge im Voraus von dem Aufstand der Söldner-Gruppe Wagner gewusst haben. Die "New York Times" berichtete unter Berufung auf US-Regierungskreise weiter, dass die Regierung in Washington nun herauszufinden versuche, ob Surowikin Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin bei der Planung der Rebellion unterstützt habe. Zudem gebe es laut US-Geheimdienstinformationen Anzeichen dafür, dass auch andere russische Generäle Prigoschin unterstützt haben könnten.
Luftwaffengeneral Surowikin war im Oktober zum Oberbefehlshaber der russischen Truppen im Ukraine-Krieg ernannt worden, ehe er nach Kritik wegen militärischer Rückschläge im Januar von Generalstabschef Waleri Gerassimow abgelöst und zu dessen Stellvertreter degradiert wurde. Unter Experten wurde auch gemutmaßt, dass Surowikin als Befehlshaber in der Ukraine zu viel Einfluss gewonnen haben könnte. Prigoschin hatte sich über Monate einen öffentlichen Machtkampf mit Gerassimow und Verteidigungsminister Sergej Schoigu geliefert. Er hatte sie wegen militärischer Misserfolge scharf kritisiert und ihnen Inkompetenz vorgeworfen. Dagegen hatte er sich über Surowikin, der von russischen Medien wegen seiner ihm unterstellten Rücksichtslosigkeit in früheren Kriegen in Syrien und Tschetschenien "General Armageddon" genannt wurde, lobend geäußert.
Surowikin hatte die Wagner-Söldner bereits kurz nach Beginn ihres Aufstands am Freitag öffentlich aufgefordert, ihre Rebellion und den schließlich am Samstag abgebrochenen Marsch auf Moskau aufzugeben. Prigoschin und seinen Söldnern wurde nach einer Vereinbarung zum Ende des Aufstands von Präsident Wladimir Putin Straffreiheit zugesichert. Er ist nun im Exil in Belarus. Auch Surowikin wurde inzwischen festgenommen.
Lukaschenko: Kreml wollte Wagner-Söldner "kaltmachen"
27. Juni, 20:18 Uhr: Kremlchef Wladimir Putin soll nach Darstellung des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko während des Aufstandes der Wagner-Söldner zunächst auf eine gewaltsame Lösung gesetzt haben. Putin habe ihn am Samstagvormittag angerufen und ihm die Lage geschildert, sagte Lukaschenko der staatlichen belarussischen Nachrichtenagentur Belta zufolge am Dienstag (27. Juni). Er habe verstanden, dass im Kreml bereits die harte Entscheidung getroffen worden sei, die Wagner-Leute "kaltzumachen", so Lukaschenko. Daraufhin habe er sich telefonisch mit Söldnerchef Jewgeni Prigoschin verbinden lassen.
27. Juni, 16:11 Uhr: Der russische Söldnerchef Jewgeni Prigoschin soll nach seinem bewaffneten Aufstand gegen Moskaus Militärführung in Belarus eingetroffen sein. "Ja, wirklich, er ist heute in Belarus", sagte Machthaber Alexander Lukaschenko am Dienstag (27. Juni) in Minsk der staatlichen Nachrichtenagentur Belta zufolge. Prigoschin war im Fall einer Ausreise nach Belarus vom Kreml Straffreiheit zugesichert worden.
Biden stellt klar: Westen und NATO haben nichts mit Aufstand zu tun
Dienstag, 27. Juni, 13:30 Uhr: Nach dem Aufstand der Privatarmee Wagner in Russland hat US-Präsident Joe Biden jegliche Verantwortung des Westens zurückgewiesen. "Dies war Teil eines Kampfes innerhalb des russischen Systems", sagte Biden im Weißen Haus. Er habe nach den Ereignissen am Wochenende die wichtigsten Verbündeten der USA in einer Video-Schalte versammelt, um sicherzustellen, dass sich alle einig seien.
Man habe sich darauf verständigt, dafür zu sorgen, Kremlchef Wladimir Putin keinen Vorwand geben, die Schuld auf den Westen oder die NATO zu schieben. "Wir haben deutlich gemacht, dass wir nicht beteiligt waren. Wir hatten nichts damit zu tun", sagte Biden. Es sei von entscheidender Bedeutung, dass die Verbündeten koordiniert vorgingen.
Nach Aufstand: Putin macht Wagner-Söldnern Angebot
27. Juni, 7:45 Uhr: Kremlchef Wladimir Putin hat den russischen Sicherheitskräften und der Bevölkerung nach der Zerschlagung der Revolte der Privatarmee Wagner für ihren Rückhalt gedankt. "Ich danke allen Soldaten, Mitarbeitern der Geheimdienste, die sich den Aufständischen in den Weg gestellt haben", sagte Putin am Montag in einer im Staatsfernsehen übertragenen Rede. Auf seinen Befehl hin sei alles getan worden, um Blutvergießen zu verhindern. "Das hat Zeit gebraucht", sagte Putin. "Der bewaffnete Aufstand wäre auch so zerschlagen worden."
Wenn sich Söldner und reguläre Truppen beschossen hätten, wäre dies vor allem Kiew und dem Westen zugutegekommen, erklärte Putin. Dort habe man bereits gehofft, dass sich Russland selbst zerfleische. Doch die russische Gesellschaft habe sich als geschlossen erwiesen in ihrer Ablehnung des Aufstands. Dies hätten am Ende auch die Umstürzler erkannt und aufgegeben.
Putin versuchte in seiner Rede, den Eindruck zu bewahren, dass die Macht- und Sicherheitsorgane handlungsfähig seien. So lobte er den Mut und die Selbstaufopferung russischer Piloten, die getötet worden sein, als sie sich den Umstürzlern entgegenstellten. Es war das erste Mal, dass die russische Führung damit Opfer während des Aufstands eingestand.
Zugleich machte der 70-Jährige ein Angebot an die Wagner-Kämpfer. Sie seien missbraucht worden für die persönlichen Ziele und Ambitionen eines Einzelnen, hätten aber in der Vergangenheit ihren Patriotismus bereits bewiesen. Er bot den Kämpfern an, in den russischen Streitkräften zu dienen. Jeder Versuch, in Russland Chaos zu stiften, sei zum Scheitern verurteilt, betonte der Präsident. "Die Organisatoren des Aufstands, die das Land verraten haben, haben auch diejenigen verraten, die auf ihrer Seite waren", sagte Putin.
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US-Regierung: Direkte Infragestellung von Putins Macht neu
26. Juni, 20:19 Uhr: Die US-Regierung wertet den Aufstand der Söldnertruppe Wagner als neue Entwicklung in Russland. "Es ist sicherlich etwas Neues, dass die Führung von Präsident Putin direkt in Frage gestellt wird", sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, am Montag. "Wir haben gesehen, dass der gesamte Vorwand für diesen Krieg öffentlich in Frage gestellt wurde", so Miller mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Die Situation in Russland bleibe dynamisch. "Es ist unklar, was die endgültigen Auswirkungen der Ereignisse sein werden", so Miller.
Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, betonte am Montag bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus: "Wir konzentrieren uns auf die Vorgänge in der Ukraine. Dies ist eine interne russische Angelegenheit". Man werde in dieser Angelegenheit keine Partei ergreifen oder sich einmischen.
Nach Aufstand und Verschwinden: Prigoschin bricht sein Schweigen
26. Juni, 17:26 Uhr: Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin hat sich erstmals nach dem missglückten Aufstand gemeldet und dementierte dabei, einen Machtwechsel in Moskau angestrebt zu haben. "Wir sind losgegangen, um Protest zu demonstrieren, nicht um die Obrigkeit im Land zu stürzen", sagte der 62-Jährige in einer Sprachnachricht, die am Montag (26. Juni) von seinem Pressedienst auf Telegram verbreitet wurde. Wo er sich aktuell aufhält, dazu sagte Prigoschin nichts.
Erneut wiederholte er den Vorwurf gegen das russische Verteidigungsministerium, am vergangenen Freitag (23. Juni) Militärlager seiner Söldner beschossen zu haben. Dabei seien seiner Aussage nach 30 Wagner-Kämpfer getötet worden. Prigoschin betonte hinsichtlich der Beendigung des Aufstandes auch die Rolle von Belarus' Machthaber Alexander Lukaschenko. Dieser habe eine friedliche Lösung vermittelt, damit Blutvergießen in Russland verhindert werde. "Wir haben in dem Moment aufgehört, als klar wurde, dass viel Blut vergossen werden würde", so der Wagner-Chef. Laut Angaben des Kreml soll Prigoschin nach dem Ende der Revolte nach Belarus ausreisen.
Litauen fordet Unterstützung
26. Juni, 13:54 Uhr: Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis hat Russland nach dem eskalierten Machtkampf als einen "unberechenbaren und gefährlichen Nachbarn" bezeichnet. "Wir fordern unsere Verbündeten nachdrücklich auf, unsere Lage angesichts der Ereignisse in Russland ernst zu nehmen", sagte er am Montag am Rande eines EU-Außenministertreffens in Luxemburg. Um die Staaten mit Grenzen zu Russland oder zu Belarus zu stärken, brauche es konkrete Pläne. Die Länder befänden sich in einer gefährlichen Lage.
US-Experten: Wagner-Truppe bleibt bestehen
26. Juni, 13:21 Uhr: US-Expert:innen sind sich sicher, dass die russische Privatarmee Wagner auch nach dem Aufstand weiter bestehen und zum Einsatz kommen wird. Laut dem US-Institut für Kriegsstudien deute die Rückkehr von Wagner-Truppen in ihre Ausbildungslager mit militärischer Ausrüstung darauf hin, dass der Kreml zumindest Teile der Gruppe eher aufrechterhalten wolle, als sie aufzulösen. Allerdings sei die Zukunft der Kommando- und Organisationsstruktur unklar.
Bundesregierung will nicht bewerten
26. Juni, 12:30 Uhr: Den eskalierten Machtkampf in Russland will die deutsche Bundesregierung zunächst nicht bewerten. "Das ist erst mal eine innerrussische Angelegenheit", so Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag in der Bundespressekonferenz in Berlin. "Es war eine ernste Angelegenheit und es ist weiterhin ernst", ergänzte er. Die Bundesregierung habe "mit hoher Konzentration die Situation beobachtet". Bezogen auf die Geschehnisse am Wochenende sagt Hebestreit, das seien "sehr aufregende Stunden" gewesen. "Aber wir verfügen über keine eigenen Erkenntnisse, die wir hier bereitstellen könnten, was sich da wirklich zugetragen hat."
Russland veröffentlicht Schoigu-Video
26. Juni, 10:29 Uhr: Russlands Regierung hat erstmals nach dem Aufstand Aufnahmen von Verteidigungsminister Sergej Schoigu veröffentlicht. Das 47 Sekunden lange Video ohne Ton, das Schoigu etwa in Beratungen mit anderen Militärs zeigt, soll laut russischem Verteidigungsministerium bei einem Besuch im Kampfgebiet in der Ukraine aufgenommen worden sei. Der Minister habe dort einen der vorderen Kommandopunkte besucht, hieß es. Unabhängig überprüfen ließ sich das zunächst nicht. Von wann die Aufnahmen stammen, dazu wurde keine Angabe gemacht. Russische Militärblogger wiesen wenig später daraufhin, dass das Schoigu-Video ihrer Einschätzung nach noch vor dem Aufstand aufgenommen wurde. So hieß es etwa in dem bekannten Telegram-Kanal "Rybar", der Clip sei eine "Konserve".
Baerbock: Aufstand nur "ein Akt"
26. Juni, 10.21 Uhr: Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) geht nicht davon aus, dass der Machtkampf in Russland bereits beendet ist. "Es ist nach wie vor unklar, was dort geschieht. Ich sage ganz klar, was dort geschieht und nicht, was dort geschah", sagte sie am Montag. Die Ereignisse seien offensichtlich nur "ein Akt in diesem russischen Schauspiel" gewesen.
Moskau beendet Anti-Terror-Notstand
26. Juni, 8:53 Uhr: In der russischen Hauptstadt Moskau ist nach dem Aufstand der Anti-Terror-Notstand wieder aufgehoben worden. "Alle Beschränkungen werden zurückgenommen", schrieb Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin am Montag auf seinem Telegram-Kanal. Wegen der chaotischen Lage waren Abschlussfeiern für Schüler:innen verschoben worden, diese sollen nun am Samstag nachgeholt werden.
Aufstand gegen Kreml beendet: Prigoschin verlässt offenbar Russland
25.06.2023, 1:16 Uhr: Der bewaffnete Aufstand russischer Söldner gegen die Staatsführung von Präsident Wladimir Putin scheint kurz nach einer unerwarteten Eskalation schon wieder beendet. Auf Befehl von Söldnerchef Jewgeni Prigoschin gaben die Angehörigen seiner berüchtigten Privatarmee Wagner bis zum späten Samstagabend ihre Stellungen in Südrussland auf und kehrten in ihre Feldlager zurück. Das wegen bewaffneten Aufstands gegen die Militärführung eingeleitete Strafverfahren gegen Prigoschin wird laut Kreml eingestellt. Prigoschin selbst werde unbehindert nach Belarus gehen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Samstag nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur Interfax. Als Garantien für den freien Abzug habe er "das Wort des Präsidenten".
Es war zunächst nicht klar, ob Prigoschin neben Straffreiheit noch weitere Zugeständnisse gemacht oder zumindest in Aussicht gestellt wurden, um den Vormarsch seiner Truppen auf Moskau zu stoppen. Er galt lange als Vertrauter Putins, als unantastbare Größe im russischen Machtgefüge, bis ihn der Kremlchef am Samstagmorgen als "Verräter" bezeichnete - und damit öffentlich fallen ließ. Fraglich ist auch, was künftig aus den Auslandseinsätzen der Wagner-Armee wird, die bis zuletzt und insbesondere in Afrika russische Interessen mit Waffengewalt vertrat.
Wagner-Truppen beginnen Abzug aus Rostow
24.06.2023, 22:28 Uhr: In der südrussischen Stadt Rostow am Don haben Angehörige der Söldner-Truppe Wagner Medienberichten zufolge mit einem schrittweisen Abzug begonnen.
Nach Angaben der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass verließen mehrere Fahrzeuge mit Wagner-Kämpfern am Samstagabend das Hauptquartier des russischen Militärkommandos Süd. Allerdings blieben schwere Fahrzeuge und Kampfwagen an einigen Verkehrsknotenpunkten der Stadt zunächst weiter in Stellung.
Strafverfahren gegen Prigoschin eingestellt
24.06.2023, 22:22 Uhr: Das Strafverfahren gegen den Chef der Wagner-Gruppe, Jewgeni Prigoschin, wegen des bewaffneten Aufstands gegen die Militärführung wird laut Kreml eingestellt. Prigoschin selbst werde nach Belarus gehen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Samstag der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Auch die Kämpfer der Wagner-Truppe sollen angesichts ihrer Verdienste an der Front in der Ukraine nicht strafrechtlich verfolgt werden, wie Peskow weiter erklärte.
Zuvor hatte der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko Prigoschin nach eigenen Angaben dazu gebracht, seinen Aufstand aufzugeben.
Prigoschin selbst äußerte sich nicht unmittelbar dazu. Kurz zuvor hatte er aber angekündigt, den Vormarsch seiner Einheiten auf die russische Hauptstadt Moskau zu stoppen.
Es war zunächst nicht klar, ob Prigoschin neben der Straffreiheit noch weitere Zugeständnisse gemacht oder in Aussicht gestellt wurden, um den Vormarsch seiner Truppen auf Moskau zu stoppen.
Überraschende Wende: Prigoschin stoppt Marsch auf Moskau
24.06.2023, 19:59 Uhr: Im Machtkampf zwischen dem Kreml und Söldner-Chef Jewgeni Prigoschin hat es eine überraschende Kehrtwende gegeben. Der Chef der "Wagner"-Armee hat den Vormarsch seiner Truppen auf die russische Hauptstadt Moskau nach eigenen Angaben gestoppt. "Unsere Kolonnen drehen um und gehen in die entgegengesetzte Richtung in die Feldlager zurück", sagte er am Samstag (24.06.2023) in einer von seinem Pressedienst auf Telegram veröffentlichten Sprachnachricht.
Bislang sei "nicht ein Tropfen Blut unserer Kämpfer" vergossen worden, sagte Prigoschin. "Jetzt ist der Moment gekommen, wo Blut vergossen werden könnte." Deshalb sei es Zeit, die Kolonnen umdrehen zu lassen.
Unmittelbar zuvor hatte der Pressedienst des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko mitgeteilt, dass dieser Prigoschin zur Aufgabe bewogen habe. "Prigoschin hat den Vorschlag von Belarus' Präsident Alexander Lukaschenko zum Anhalten seiner Bewaffneten aus der Wagner-Truppe und weiteren Schritten zur Deeskalation angenommen", hieß es in einer Pressemitteilung des Präsidialamts der staatlichen Nachrichtenagentur Belta zufolge.
Lukaschenko habe sich in Absprache mit Russlands Präsident Wladimir Putin als Vermittler eingeschaltet, hieß es weiter. Prigoschin erwähnte Lukaschenko in seiner Sprachnachricht nicht ausdrücklich.
Putin selbst hatte am Morgen noch seinen Ex-Vertrauten Prigoschin als "Verräter" bezeichnet. Der Machtkampf zwischen dem Söldnerchef und der russischen Führung war in der Nacht zum Samstag eskaliert
Bewaffnete Truppen der Söldner hatten sich aus dem südrussischen Rostow am Don in Richtung Moskau in Marsch gesetzt.
Prigoschin bereits auf halbem Weg nach Moskau
24.06.2023, 17:38 Uhr: Zuvor hatte die Söldnereinheit Wagner nach Behördenangaben auf dem Weg vom südrussischen Rostow am Don nach Moskau bereits die Region Lipezk erreicht.
"Den Einwohnern wird dringend geraten, ihre Häuser nicht zu verlassen und auf Fahrten mit Verkehrsmitteln zu verzichten", schrieb der Gouverneur des Gebiets, Igor Artamonow, am Samstag auf seinem Telegram-Kanal. Die Lage sei aber unter Kontrolle. Lipezk befindet sich etwa auf halbem Weg zwischen Rostow und Moskau - rund 400 Kilometer von der russischen Hauptstadt entfernt.
Im Gegensatz zur weiter südlich gelegenen Region Woronesch gab es keine Berichte über Kämpfe. Auf Videos waren aber in den Straßengraben gekippte Lastwagen zu sehen. Sie waren offenbar eilig als Straßensperre aufgebaut worden, um die Kolonne der Söldnereinheit Wagner aufzuhalten. Auf weiteren Videos war zu sehen, wie Straßen aufgerissen und tiefe Gräben ausgehoben werden. Auch dies sollte offenbar dazu dienen, die Söldner zu stoppen. Die Echtheit der Videos konnte zunächst nicht unabhängig bestätigt werden.
Mittlerweile rief Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin den "Anti-Terror-Notstand" aus. Die Lage sei schwierig, schrieb er am Samstag (24. Juni) auf seinem Telegram-Kanal. Die Bürger:innen Moskaus sollten außerdem zu Hause bleiben.
Beratung der G7-Staaten
24. Juni 2023, 15:30 Uhr: Die Bundesregierung hat nach Auskunft des Auswärtigen Amts mit wichtigen internationalen Partnern Gespräche über die Situation in Russland geführt.
"Außenministerin (Annalena) Baerbock hat sich gerade mit den Außenministerinnen und Außenministern der G7 über die Lage beraten", teilte ein Sprecher des Auswärtigen Amts am Samstagnachmittag in Berlin mit. Zu den G7 gehören Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, die USA und Großbritannien. Dem Sprecher zufolge beobachtet die Bundesregierung die Entwicklungen in Russland aufmerksam.
Zur Stunde tage der Krisenstab der Bundesregierung im Auswärtigen Amt unter Leitung von Staatssekretär Andreas Michaelis.
Bereits am Vormittag hatte das Ministerium die Reise- und Sicherheitshinweise für Bundesbürger:innen in Russland angepasst. Darin wird geraten, die betroffenen Gebiete und insbesondere die Stadt Rostow sowie deren Umland zu meiden. "In Moskau sollten staatliche, insbesondere militärische Einrichtungen weiträumig umgangen werden. Das Stadtzentrum sollte bis auf Weiteres gemieden werden."
Ständige Updates für Olaf Scholz
24. Juni 2023, 13:32 Uhr: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird einem Regierungssprecher zufolge über die Entwicklung in Russland laufend informierend. "Die Lage bleibt ja recht dynamisch. Insofern beobachten wir das sehr genau und koordinieren uns auch mit unseren engsten Verbündeten", sagte der Sprecher am Samstag in Berlin. Ein Statement des Kanzlers sei derzeit nicht geplant.
Kadyro macht Truppen aus Tschetschenien mobil
24. Juni 2023, 13:10 Uhr: "Kämpfer des Verteidigungsministeriums und der Nationalgarde der Republik Tschetschenien sind bereits in die spannungsgeladenen Gebiete aufgebrochen", erklärte der Präsident der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, am Samstag auf Telegram. "Wir werden alles tun, um die Einheit Russlands zu bewahren und ihre Staatlichkeit zu schützen", so Kadyrow.
"Ich unterstütze jedes Wort von Wladimir Wladimirowitsch Putin", sagte der Tschetschenenchef weiter. In Kriegszeiten solle kein persönlicher Streit ausgetragen werden. Der Chef der Teilrepublik im Nordkaukasus ist berüchtigt für seinen brutalen Führungsstil. Tschetschenische Kämpfer unterstützen die russische Armee bereits beim Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Putins Schicksal steht vor entscheidender Wendung
24. Juni 2023, 12:50 Uhr: "Die nächsten 48 Stunden werden über den neuen Status von Russland entscheiden", schrieb der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak am Samstag beim Kurznachrichtendienst Twitter. Möglich seien ein "ausgewachsener Bürgerkrieg", ein "ausgehandelter Machtübergang" oder auch eine "vorübergehende Atempause vor der nächsten Phase des Sturzes des Putin-Regimes".
Podoljak ist einer der Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Er schrieb weiter: "Alle potenziellen Akteure entscheiden jetzt, auf welcher Seite sie stehen." In Russland herrsche gerade ein "ohrenbetäubendes Schweigen der 'Elite'".
Kämpfe im Gebiet Woronesch
24. Juni 2023, 12:33 Uhr: Aus dem Gebiet Woronesch im Südwesten des Landes wurden unterdessen Kämpfe gemeldet. "Im Rahmen einer Anti-Terror-Operation führen die Streitkräfte der Russischen Föderation auf dem Gebiet der Region Woronesch notwendige operativ-kämpferische Maßnahmen durch", schrieb Gouverneur Alexander Gussew am Samstagmittag auf Telegram. "Ich werde weiter über die Entwicklung der Lage informieren." Unabhängig überprüfen ließen sich die Angaben zunächst nicht.
Gussew erläuterte nicht konkret, gegen wen die Armee im Gebiet Woronesch kämpft. Zuvor hatte es allerdings Berichte gegeben, dass die aufständischen Wagner-Kämpfer dort einzelne militärische Einrichtungen besetzt hätten. Das gleichnamige Gebietszentrum ist rund 470 Kilometer von der Hauptstadt Moskau entfernt. Es liegt ungefähr auf halber Strecke zwischen Moskau und Rostow am Don, wo Aufständische Militäreinrichtungen besetzt haben.
Britische Regierung warnt vor Unruhen im gesamten Land
24. Juni 2023, 11:05 Uhr: Die britische Regierung hält eine Ausweitung der Kämpfe auf das gesamte Land für möglich und empfiehlt britischen Staatsbürger:innen, Russland zu verlassen. "Es gibt Berichte über militärische Spannungen im (südrussischen) Gebiet Rostow und ein Risiko weiterer Unruhen im Land", hieß es am Samstag aus London in einer Mitteilung des Außenministeriums.
Der Konflikt biete eine "riesige Möglichkeit für die Ukraine, die aktuelle Meuterei und das Chaos in Russland" auszunutzen, erklärte der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im britischen Parlament, Tobias Ellwood.
"Der Präsident irrt sich schwer"
24. Juni 2023, 10:52 Uhr: Jewgeni Prigoschin hat dem russischen Präsidenten Wladimir Putin unterdessen eine Fehleinschätzung der Lage um den bewaffneten Aufstand seiner Söldner vorgeworfen. "Der Präsident irrt sich schwer", teilte Prigoschin am Samstag in einer Sprachnachricht auf seinem Telegram-Kanal mit. "Wir sind Patrioten unserer Heimat."
Prigoschin drohen bis zu 20 Jahre Haft
24. Juni 2023, 10:15 Uhr:"Für so ein Verbrechen ist ein Freiheitsentzug zwischen 12 und 20 Jahren als Strafe vorgesehen", heißt es in einer Erklärung der russischen Generalstaatsanwaltschaft vom Freitagabend. Die Einleitung des Verfahrens durch den Geheimdienst FSB sei "legal und begründet".
Putin fordert "Neutralisierung" der Aufständischen
24. Juni 2023, 9:46 Uhr: Russlands Präsident Wladimir Putin hat nach dem bewaffneten Aufstand des Chefs der Söldnerarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, die "Neutralisierung" der Drahtzieher angeordnet. Die Streitkräfte hätten den Befehl erhalten, jene zu "neutralisieren", die den Aufstand organisiert hätten, sagte Putin in einer TV-Ansprache an die Nation am Samstag. Er warf den Wagner-Söldnern "Verrat" vor. Der Inlandsgeheimdienst FSB hat unterdessen die Wagner-Söldner dazu aufgerufen, Prigoschin festzusetzen.
Wagner-Truppe besetzt Militärobjekte in Rostow
24. Juni 2023, 9:26 Uhr: In einem am Samstagmorgen veröffentlichten Video teilte Jewgeni Prigoschin mit, dass seine Truppe Wagner wichtige militärische Objekte in Rostow am Don im Süden Russlands besetzt hat. "Unter unserer Kontrolle befinden sich Militärobjekte Rostows, darunter auch der Flugplatz", erklärte Prigoschin. Seinen Angaben zufolge kontrollieren seine Kämpfer auch das Hauptquartier der russischen Armee für den Süden des Landes in Rostow. Unabhängig überprüfen ließ sich das zunächst nicht. Eine Stellungnahme des russischen Verteidigungsministerium liegt bislang dazu nicht vor.
Moskau ergreift Anti-Terror-Maßnahmen
24. Juni 2023, 8:38 Uhr: Das russische Staatsfernsehen hatte in der Nacht zum Samstag (24. Juni) eine Sondernachrichtensendung ausgestrahlt, in der darüber informiert wurde, dass Prigoschin in Ungnade gefallen sei und festgenommen werden solle. Die Rede in der Sendung war von einer "Provokation" Prigoschins zum Nutzen der Ukraine. Den Staatsmedien zufolge wurden In der russischen Hauptstadt alle wichtigen Objekte unter besondere Kontrolle genommen. Zuvor waren Videos im Internet aufgetaucht, auf denen zu sehen ist, wie ein Schützenpanzer und ein gepanzerter Militärlaster vor dem russischen Parlament entlangfahren.
Offene Kampfansage an den Kreml
24. Juni 2023, 7:46 Uhr: Nachdem der Chef der Privatarmee-Gruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, am Freitagabend (23. Juni) die Militärführung Russlands beschuldigt hatte, ein Lager seiner Söldnertruppen angegriffen und dabei viele seiner Männer getötet zu haben, eskaliert der Konflikt zwischen Moskau und der Privatarmee. Prigoschin drohte dem Kreml mit Gegenmaßnahmen. In der Nacht zum Samstag (24. Juni) marschierten seinen Angaben zufolge die Wagner-Söldner bereits nach Rostow am Don im Süden Russlands . Das sei aber nicht das Ende, sagte Prigoschin. Seine Kämpfer würden auch noch weiter als bis nach Rostow marschieren. Das russische Verteidigungsministerium bestritt einen Angriff.
- Verwendete Quellen:
- Nachrichtenagentur dpa