Aktion gegen Staatspropaganda
Telefon-Offensive gegen Putin im Ukraine-Krieg
- Aktualisiert: 17.01.2023
- 08:25 Uhr
- Lisa Apfel
Ein wichtiges Mittel Russlands in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine sind Falschinformationen. Eine Plattform hat es sich zur Aufgabe gemacht, dem entgegenzuwirken.
Das Wichtigste in Kürze
Die Plattform "Call Russia" versucht, Russ:innen über Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine zu informieren.
Durch Telefonate will man gegen Falschinformationen vorgehen.
Hunderttausende habe man bereits kontaktiert.
Telefonieren gegen Falschinformationen
Telefonate gegen Putins Propaganda? Wie das funktionieren kann, weiß Paulius Senūta. Er gründete nur wenige Wochen nach dem Beginn des Ukrainekrieges gemeinsam mit Freunden die Plattform "Call Russia".
Das Ziel: Dem Einfluss der russischen Staatspropaganda mit Hilfe westlicher Informationen entgegenzuwirken.
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"In den ersten Kriegstagen hat einfach jeder hier in Litauen irgendetwas getan. Unsere Idee war eben, anzurufen", so Senūta im Gespräch mit der "Süddeutschen Zeitung". Nur fünf Tage habe er demnach in besagtem März gebraucht, um die Initiative gemeinsam mit IT-, Marketing- und PR-Expertinnen und -Experten möglich zu machen.
Die Freiwilligen des Projektes rufen mit Hilfe eines Zufallsgenerators Menschen in Russland an, um aus der westlichen Perspektive zu erzählen und Informationen weiterzugeben. So sollen Russ:innen über Falschinformationen des russischen Regimes informiert werden können. Die Hoffnung ist, sie von einer weiteren Unterstützung Putins abbringen zu können.
Gesprächsbereitschaft nimmt zu
"Wir werden ständig gefragt, wo jetzt eigentlich die Front ist, welche Verluste es in der russischen Armee gibt, wie es wirklich aussieht in der Ukraine", so Senūta. Die Reaktionen seien zunächst weitestgehend wütend gewesen; viele Telefonate überschritten nicht einmal die fünf-Minuten-Marke. Doch das Blatt scheint sich mitunter zu wenden: Mittlerweile gebe es Gespräche von teilweise drei Stunden.
"Wir haben mit Psychologen eine Gesprächstechnik ausgearbeitet", erklärt Senūta, ehrliches Interesse am anderen Ende der Leitung sei dennoch notwendig. Auch konträre Ansichten sollten ertragen werden können. Denn zu viel Hoffnungen macht man sich erstmal nicht, es geht viel mehr Schritt für Schritt: "Natürlich ändere ich nicht das Weltbild eines fremden Menschen innerhalb einer Stunde. Aber die Leute fangen an nachzudenken."
Mehr als 50.000 Litauer:innen haben haben so bereits insgesamt 180.000 Nummern angerufen. Gespräche entstanden dabei in ungefähr 90.000 Fällen.
"Von Mensch zu Mensch miteinander reden"
Trotzdem liegt noch eine Menge Arbeit vor den freiwilligen Aufklärer:innen: Rund 40 Millionen russische Telefonnummern wurden sich laut der "Süddeutschen Zeitung" aus dem Internet heruntergeladen.
"Das ist doch das Einzige, was uns wirklich helfen kann: von Mensch zu Mensch miteinander reden", sagt Senūta.
Die meisten freiwilligen Anrufer kommen aus Litauen und aus anderen baltischen Ländern, aber auch Exil-Russ:innen überall auf der Welt machen mit. Senūta hofft auf ein Aufeinander zugehen von westlichen Ländern und Russ:innen.
Institutionen der EU sowie Nichtregierungsorganisationen scheinen bereits Interesse an den Erkenntnissen der freiwilligen Anrufer:innen zu haben.
- Verwendete Quellen: