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Nur politisches Kalkül?

Wenn Trauer selektiv wird: Die AfD steckt im Charlie-Kirk-Dilemma fest

  • Veröffentlicht: 19.09.2025
  • 15:14 Uhr
  • Emre Bölükbasi
Die AfD zeigt sich nach dem mutmaßlich politischen Mord an Charlie Kirk besorgt.
Die AfD zeigt sich nach dem mutmaßlich politischen Mord an Charlie Kirk besorgt.© dpa-Bildfunk

Charlie Kirk wird von der AfD fast schon wie ein Märtyrer betrauert – doch in anderen ähnlichen Fällen ist die Partei still. Wird Trauer zum politischen Werkzeug gemacht?

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"Kein Wort von Ihnen zum heimtückischen, politischen Mord an Charlie Kirk, dessen Tod nicht nur die USA erschüttert hat." Mit diesem Satz begann AfD-Co-Chefin Alice Weidel in der Generaldebatte vom Mittwoch (17. September) ihre Rede im Bundestag. Ein Versuch, Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und seine Partei öffentlich ins Schwitzen zu bringen - weil es keine Beileidsbekundung im Fall Kirk gab.

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Seitdem der unter jungen, konservativen US-Amerikaner:innen beliebte rechte Aktivist Kirk erschossen wurde, überbieten sich AfD-Politiker:innen regelrecht in puncto Beileidsbekundungen. Weidel setzte bislang mindestens fünf Posts alleine auf X über Kirk ab.

Tino Chrupalla fragte in einem X-Video, ob Kirks Mut zur Meinungsfreiheit ihn das Leben gekostet habe. "Es darf nicht sein, dass Menschen wegen ihrer Meinung ermordet werden", so sein Statement.

Und die Social-Media-Kanäle der AfD? Die arbeiten das Thema online auch fleißig ab. Ein gut zehnminütiges Interview mit dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Markus Frohnmeier, ein Fotopost zur Charlie-Kirk-Kundgebung der AfD in Berlin - die Liste geht noch weiter.

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Die AfD zeichnet ein Selbstportrait, das die Partei als Verfechter der Meinungsfreiheit präsentieren soll. Die Erschütterung über den Tod von Kirk soll signalisieren: Niemand muss seine politische Meinung mit dem Leben bezahlen.

Zwei Todesfälle, zwei gegensätzliche Reaktionen

Kurzer Flashback: 1. März 2024. Hunderte Menschen kommen im Südosten Moskaus zusammen - auf einem Friedhof. Sie schlagen ein Kreuz vor dem Grab eines Mannes, der kürzlich unter mysteriösen Umständen sein Leben verlor: Alexej Nawalny.

Unter ungeklärten Umständen starb er im Februar 2024 in einem russischen Straflager. Im Westen fiel der Verdacht prompt auf Wladimir Putins Machtapparat, aber offiziell ist noch nichts bewiesen. Seine Witwe sieht das anders: Erst kürzlich gab sie an, zwei Laboruntersuchungen seien zu dem Schluss gekommen, dass Nawalny vergiftet worden war.

Nawalny war ein politischer Aktivist, der ein Millionenpublikum erreichte. Organisator von großen politischen Veranstaltungen, an denen allen voran junge Menschen teilnahmen. So unterschiedlich und unvergleichbar auch die politischen Standpunkte und Ziele Nawalnys und Kirks waren: Diese Parallelen liegen auf der Hand.

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Mut auf der einen, "Inszenierung" auf der anderen Seite?

Die spannende Frage: Lassen sich auch bezüglich der AfD-Reaktionen zum Tod Nawalnys Parallelen erkennen? Trommelwirbel ... nein. Derselbe Chrupalla, der drei Tage nach dem Kirk-Attentat von einem politischen Mord sprach, warnte nach Nawalnys Tod vor voreiligen Vorwürfen gegen den Kreml.

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Während Kirks Rolle als Familienvater in Beileidsbekundungen der AfD immer betont wird, warf der AfD-Co-Chef Nawalnys Witwe sogar "Inszenierung" vor, als diese kurz nach dem Tod ihres Mannes auf der Münchner Sicherheitskonferenz sprach. Keine Rede von einem womöglich politischen Mord - im Gegenteil: Nawalnys Tod werde "ausgeschlachtet".

Auch auf dem im Kirk-Fall so aktiven X-Auftritt der AfD-Bundestagsfraktion lassen sich weder Interviews noch Fotoposts zu Nawalnys mysteriösem Tod finden. Die Frage liegt auf der Hand: Misst die AfD mit zweierlei Maß?

Umso dringender stellt sich die Frage, wenn man bedenkt, dass ein Aufschrei der AfD nach der Ermordung der US-Demokratin Melissa Hortman und ihres Mannes im Juni ausblieb. Ebenso zur Ermordung des ukrainischen Ex-Parlamentspräsidenten Andrij Parubij im August. Der Attentäter selbst hatte sogar von einer "persönlichen Rache an der ukrainischen Staatsmacht" gesprochen - mutmaßlich ein weiterer politischer Mord also.

Eine gefährliche Tendenz

Dass eine Partei nicht jeden mutmaßlich politisch motivierten Mordfall der Welt verurteilen muss, versteht sich von selbst. Aber: Wer in der Eröffnungsrede einer Generaldebatte einen solchen Fall in den ersten Sätzen erwähnt, politische Gegner damit ins Schwitzen bringen will, sollte in anderen Fällen nicht schweigen.

Die Anteilnahme sollte nicht in Abhängigkeit von der politischen Couleur der Opfer gestaltet werden, denn: Wenn Trauer selektiv wird, besteht die Gefahr, dass die Gräben in der Gesellschaft noch tiefer werden.

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  • Verwendete Quellen:
  • Nachrichtenagentur dpa
  • Welt: "AfD-Chef Chrupalla nennt Rede von Nawalnys Witwe 'Inszenierung'"
  • X: Alice Weidel
  • X: Tino Chrupalla
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