Medienbericht
Trotz internationaler Kritik: Israels Bodenoffensive in Rafah steht wohl kurz bevor
- Aktualisiert: 23.04.2024
- 17:39 Uhr
- Lara Teichmanis
Trotz internationaler Warnungen rückt die von Israel angekündigte Bodenoffensive in Rafah im Süden des Gazastreifens einem Medienbericht zufolge näher. Gleichzeitig kommt es zu Protesten in Israel und den USA gegen die Gaza-Politik.
Das Wichtigste in Kürze
Laut Medienberichten steht die angekündigte Bodenoffensive in Rafah kurz bevor.
Trotz internationaler Kritik an dem Vorhaben Israels plant die Regierung von Benjamin Netanjahu, Truppen schrittweise nach Rafah zu verlegen.
Verbündete wie die USA warnen vor der Bodenoffensive, da sich aktuell Hunderttausende Flüchtlinge im Süden des Gazastreifens bei Rafah aufhalten.
Zu Beginn des Pessach-Festes protestierten Hunderte Menschen gegen Netanjahu und forderten eine Einigung zur Freilassung der Geiseln mit der Hamas.
Israel bereitet sich offenbar darauf vor, Zivilist:innen aus Rafah in die zuvor schwer umkämpfte Stadt Chan Junis und andere Gebiete zu bringen. Das berichtete das "Wall Street Journal" am Montag (22. April) unter Berufung auf ägyptische Beamte, die über die israelischen Pläne informiert seien. Israel gibt an, in Rafah die letzten Bataillone der islamistischen Hamas zerschlagen zu wollen.
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Israel plane, Truppen schrittweise nach Rafah zu verlegen, berichtete die US-Zeitung weiter. Die Kämpfe dürften mindestens sechs Wochen dauern, hieß es. Israels Ministerpräsident Netanjahu hatte zuvor "weitere schmerzhafte Schläge" gegen die Hamas angekündigt. "Und dies wird in Kürze geschehen".
Massengrab mit mehr als 200 Toten entdeckt
Seit dem Abzug israelischer Truppen aus Chan Junis seien dort in einem Massengrab nahe dem Nasser-Krankenhaus bisher 283 Tote gefunden worden, teilte der von der Hamas kontrollierte Zivilschutz am Montag (22. April) mit.
Israels Verbündete wie die USA haben eindringlich vor einer Bodenoffensive in Rafah gewarnt, weil sich dort derzeit Hunderttausende palästinensischer Binnenflüchtlinge drängen. Die Stadt nahe der ägyptischen Grenze gilt als die einzige in dem abgeriegelten Küstenstreifen, die noch vergleichsweise intakt ist. Unter anderem im nahen Chan Junis sollen für die Bewohner Zelte, Lebensmittelverteilungszentren und Feldlazarette eingerichtet werden, so der Bericht.
Die Evakuierungsaktion würde zwei bis drei Wochen dauern und in Abstimmung mit den USA, Ägypten und anderen arabischen Ländern wie den Vereinigten Arabischen Emiraten durchgeführt. Die Staats- und Regierungschefs der Welt seien sich einig, wie wichtig es sei, die Zivilbevölkerung von Rafah zu schützen.
Externer Inhalt
Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, äußerte sich nun zu Israels Plänen und warnte vor einer israelischen Bodenoffensive auf Rafah. Die Folgen wären "mehr Todesfälle, mehr Verletzungen und Vertreibung in großem Maßstab - und mehr grausame Verbrechen, für die die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden würden", teilte Türk in Genf mit. Weiter verurteilte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte die drei Luftangriffe der vergangenen Tage. Dabei seien vor allem Frauen und Kinder ums Leben gekommen.
Mehr Todesfälle, mehr Verletzungen und Vertreibung in großem Maßstab.
Volker Türk, UN-Hochkommissar für Menschenrechte
Weiterhin keine Einigung mit der Hamas
Israel und die Hamas verhandeln seit Monaten indirekt über eine Feuerpause und die Freilassung weiterer Geiseln, die bei dem Hamas-Massaker am 7. Oktober nach Gaza entführt wurden. Israel war bis vor wenigen Wochen davon ausgegangen, dass knapp 100 der rund 130 verbliebenen Geiseln noch am Leben sind.
Inzwischen wird befürchtet, dass deutlich mehr von ihnen bereits tot sein könnten. Bei den Verhandlungen habe die Hamas ihre Positionen zuletzt verhärtet, erklärte Netanjahu. Israel habe sich bei den Verhandlungen erheblich bewegt, woraufhin die Hamas jedoch "die Zielpfosten" verschoben habe, sagte auch der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, am Montag. Die Terrororganisation signalisiere derzeit, "dass sie keine Einigung will". Es liege an der Hamas.
Demonstrationen in Israel und den USA
Zu Beginn des jüdischen Pessach-Festes kam es in Israel erneut zu Protesten von Angehörigen der in Gaza festgehaltenen Geiseln gegen Regierungschef Benjamin Netanjahu. Hunderte Demonstranten versammelten sich vor Netanjahus Privathaus in Caesarea und forderten ihn auf, eine Einigung zur Freilassung der Geiseln zu erzielen. "Wie ist es möglich, dass die Familie Netanjahu in einer schicken Villa feiert, während Israelis in Tunneln gefangen gehalten werden, hungern, vergewaltigt, geschlagen und ermordet werden?", hieß es. Das Pessach-Fest erinnert an den Auszug der Israeliten aus Ägypten und die Befreiung aus der Sklaverei.
Auch in den USA kommt es zu Protesten gegen den aktuellen Gazakrieg. An mehrere Elite-Universitäten in den USA finden aktuell aufgeheizte Proteste rund um den Gazakrieg statt. Am Montag (22. April) wurden an der New York University (NYU) sowie an der Yale University mehrere Demonstranten festgenommen. Die Demonstranten hätten sich geweigert, die nicht genehmigten Proteste zu beenden.
"Wir wurden Zeuge von aufrührerischem, störendem und feindseligem Verhalten, das die Sicherheit unserer Gemeinschaft beeinträchtigt hat", zitierte der Bericht den NYU-Sprecher John Beckman.
Wir wurden Zeuge von aufrührerischem, störendem und feindseligem Verhalten, das die Sicherheit unserer Gemeinschaft beeinträchtigt hat.
John Beckman, NYU-Sprecher
Weitere Raketen der Hisbollah-Miliz
Derweil dauern die Spannungen auch an Israels Grenze zum Libanon an. Die Hisbollah-Miliz feuerte nach eigenen Angaben Dutzende Raketen auf den Norden Israels ab. Den Angriff auf Militärziele bezeichnete die proiranische Miliz in einer Mitteilung am Montagabend als Vergeltung für israelische Luftangriffe. Am Sonntag (21. April) war eine israelische Drohne von einer Boden-Luft-Rakete getroffen worden und auf libanesischen Boden gestürzt.
Kampfflugzeuge hätten die Abschussbasis angegriffen, teilte Israels Militär mit. Ob die Gefechte vom Sonntag (21. April) im Zusammenhang mit dem Raketenangriff erfolgten, war zunächst unklar. Seit Beginn des Gazakriegs schießt die Hisbollah mit Raketen, Artillerie- und Panzerabwehrgranaten auf den Norden Israels. Bei den Gefechten im Grenzgebiet wurden bislang rund 280 Kämpfer der Schiitenmiliz getötet. Auch auf israelischer Seite gab es seitdem mehrere Todesopfer.
Untersuchungsbericht zum UNRWA-Skandal
Mit scharfer Kritik reagierte Israel unterdessen auf einen in New York vorgelegten Untersuchungsbericht zum Palästinenserhilfswerk UNRWA. Die Hamas habe das Hilfswerk so tief infiltriert, "dass es nicht mehr möglich ist, festzustellen, wo das UNRWA endet und wo die Hamas beginnt", schrieb das israelische Außenministerium auf der Plattform X (vormals Twitter).
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In dem in New York vorgestellten Bericht kamen unabhängige Experten dagegen zum Schluss, UNRWA habe eine Reihe "robuster" Mechanismen etabliert, um die Wahrung des Neutralitätsgrundsatzes zu gewährleisten. Allerdings gebe es Verbesserungsbedarf. Zugleich hieß es in dem Bericht, Israel habe für manche seiner Behauptungen nie Beweise vorgelegt.
- Verwendete Quellen:
- Nachrichtenagentur dpa