Nach bundesweiter Razzia
"Letzte Generation": Kriminelle Vereinigung? Juristen sagen "überzogen"
- Aktualisiert: 18.01.2023
- 19:50 Uhr
- Lena Glöckner
Im Dezember wurden mehrere Wohnungen von Aktivist:innen der "Letzten Generation" durchsucht - der Verdacht: "Bildung einer kriminellen Vereinigung". Die meisten Staatsanwält:innen halten diesen Vorwurf offenbar für "überzogen".
Die Razzia gegen die Klima-Protestgruppe "Letzte Generation" sorgte im Dezember bundesweit für Aufsehen. Der Zugriff erfolgte nach Erteilen des Durchsuchungsbeschlusses durch einen Ermittlungsrichter in Neuruppin. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen aufgenommen - wegen "Störung öffentlicher Betriebe" und des Verdachts der "Bildung einer kriminellen Vereinigung".
Im Video: Auch NRW-Innenminister Reul sprach im Dezember von einer "kriminellen Vereinigung" in Bezug auf die "Letzte Generation".
"Letzte Generation": NRW-Minister äußert Verdacht einer "kriminellen Vereinigung"
Bundesweit finden sich laut "Süddeutscher Zeitung" allerdings wenige Staatsanwält:innen, die den Inhalt des Durchsuchungsbeschlusses stützen. Dem Bericht nach verdichten sich unter den Fachleuten eher Zweifel, mit dem Begriff "kriminelle Vereinigung" wolle sich niemand gemein machen. Die Staatsanwaltschaft in Berlin etwa teilte laut SZ erst kürzlich mit, dass sie den Vorwurf, die "Letzte Generation" sei eine "kriminelle Vereinigung", für weit überzogen halte.
Taten der Gruppe fehle es an "erforderlichem Gewicht"
Eine entsprechende Strafanzeige des Berliner CDU-Abgeordneten Christopher Förster aus dem Oktober sei deshalb Anfang des Monats eingestellt worden. Eine Gruppe sei nur dann eine "kriminelle Vereinigung", wenn eine "erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit" bestehe. Den Aktionen der "Letzten Generation" fehle es am "erforderlichen Gewicht". Das Blatt zitiert aus dem Brief an den Politiker: "In der Gesamtschau ist gegenwärtig (noch) davon auszugehen, dass die Aktionen der Gruppierung in der Bevölkerung zwar überwiegend als empörend und lästig, jedoch nicht als beängstigend oder beunruhigend angesehen werden."
Der Stuttgarter Generalstaatsanwalt Achim Brauneisen geht laut Bericht noch weiter. Er sagt, er habe Zweifel, ob ein solcher Vorwurf mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar wäre. "Ich wäre da vorsichtig." Auch im sonst so rigorosen München sei man bislang vorsichtig mit solchen Begrifflichkeiten, so SZ. Zwar hätten die dortigen Verfolgungsbehörden Strafanzeigen erhalten, ein Ermittlungsverfahren wegen "Bildung einer kriminellen Vereinigung" sei aber noch offen. Die "erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit", die die Neuruppiner Staatsanwaltschaft sieht, kann somit keine weitere Fachperson bislang bestätigen. Laut Bericht wurde der nur vier Seiten lange Durchsuchungsbeschluss von einem Richter auf Probe unterzeichnet - also einem Berufsanfänger.
- Verwendete Quellen:
- Süddeutsche Zeitung: "Nur lästig - oder auch gefährlich?"