Es geht um neuen Diesel-Kraftstoff
Lobby-Skandal um Wissing? Bericht über käufliche Termine beim Verkehrsminister
- Veröffentlicht: 17.07.2024
- 14:05 Uhr
- Lisa Apfel und Joachim Vonderthann
Harte Vorwürfe gegen Verkehrsminister Volker Wissing: Nach Recherchen von "ZDF frontal" sollen Treffen mit dem FDP-Politiker gegen Geld angeboten worden sein.
Das Wichtigste in Kürze
Bundesverkehrsminister Wissing hat sich für den neuen Diesel-Kraftstoff HVO100 starkgemacht.
Doch ein ZDF-Bericht erhebt jetzt Lobby-Vorwürfe gegen Wissing und seinen Staatssekretär.
Nach Bekanntwerden der Vorwürfe zieht die Behörde erste Konsequenzen.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sieht in dem seit Kurzem an deutschen Tankstellen erhältlichen nachhaltigen Diesel HVO100 eine Alternative zu den Fossilen.
Doch genau in diesem Zusammenhang bringen ihn nun Recherchen von "ZDF frontal" in Erklärungsnot. Denn zu dem aus Pflanzen- und Tierfetten hergestellten Treibstoff läuft eine Lobby-Kampagne durch Industrie-Vertreter:innen. Ein Auto-Lobbyverein soll dem ZDF-Format zufolge Unternehmen und Verbänden "exklusive VIP-Termine" und weitere Leistungen unter anderem mit Wissing angeboten haben - gegen Bezahlung.
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Kampagne für Alternativ-Diesel HVO100
Genauer gesagt geht es um den Münchner Verein Mobil in Deutschland und dessen Präsident Michael Haberland. Haberland hatte im Oktober 2023 die Kampagne HVO100 goes Germany gestartet. Der Parlamentarische Staatssekretär im Verkehrsministerium, Oliver Luksic (FDP), wurde Schirmherr.
Schon gegen diese Schirmherrschaft hatte es laut "ZDF Frontal" massive Kritik von Fachreferaten des Wissing-Ministeriums gegeben. Das TV-Magazin beruft sich dabei auf ihm vorliegende interne Papiere. Demnach wurde die Übernahme der Schirmherrschaft unter anderem mit der Begründung abgelehnt, dass die Kampagne einen "sehr werbenden Charakter" habe. "Eine großangelegte Kampagne für diesen 'Nischen-Kraftstoff' könnte als zu einseitig empfunden werden", hieß es in den Schreiben der Fachreferate weiter.
Wissing setzte sich dem ZDF-Bericht nach aber über die Bedenken seiner Fachleute hinweg. Er habe die Schirmherrschaft für seinen Staatssekretär Luksic persönlich abgezeichnet. Das Büro von Luksic habe am 4. Dezember 2023 die Übernahme der Schirmherrschaft der Kampagne dann offiziell bestätigt.
Wissings Staatssekretär als Schirmherr
Luksic trat in der Folge gemeinsam mit Wissing bei Terminen des Vereins auf. Zudem unterstützen die beiden FDP-Politiker dem Bericht zufolge Werbemaßnahmen für HVO100 und trafen sich mit Geldgebern der Kampagne. So weit, so gut. Doch "ZDF frontal" liegen Papiere interner Präsentationen von Mobil in Deutschland vor. Die sollen Geldgeber locken. Demnach wurden Unterstützer:innen von HV0100 goes Germany Leistungen in Aussicht gestellt - zu festgelegten Tarifen.
Und hier wird es brenzlig: Zu diesen Leistungen zählt dem Bericht zufolge eine "Premium-Kooperation". 9.900 Euro soll sie pro Jahr kosten und bietet die "Möglichkeit, sich bei einem exklusiven VIP-Meeting mit Minister oder Staatssekretär vorzustellen und auszutauschen". Zudem solle es einen "durchgehenden Austausch mit den politischen Entscheidungsträgern (z. B. Dr. Volker Wissing, Christian Lindner, Oliver Luksic)" geben.
Der Automobilclub wies die Vorwürfe zurück und sprach von falschen Anschuldigungen. "Es gab und gibt selbstverständlich keine bezahlten Terminvermittlungen und diese wurden auch von uns weder erwogen noch mit Dritten diskutiert oder gar angeboten oder durchgeführt", hieß es in einer Mitteilung des Vereins.
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Lobby-Expertin bringt Rücktritt ins Spiel
Die Organisation Lobbycontrol kritisiert das Vorgehen des Clubs dennoch scharf. Solche Angebote seien "ein absolutes No-Go", sagte Christina Deckwirth von Lobbycontrol "ZDF frontal". Und weiter: "Hier entsteht ganz stark ein Eindruck der käuflichen Politik."
Dieser Eindruck hat sich im Verkehrsministerium inzwischen auch verfestigt. Von den Angeboten gegen Geld will man allerdings nichts gewusst haben. In einem Brief, der dem TV-Magazin vorliegt, schrieb Staatssekretär Luksic an "Mobil in Deutschland": "Diese Vorwürfe der Käuflichkeit nehmen wir sehr ernst, da sie die Integrität der Hausleitung in Frage stellen." Da die Antworten aus München das Berliner Verkehrsressort nicht überzeugten und "weitere Fragen offen" ließen, so ein Ministeriumssprecher, zog es Konsequenzen: "Bis zur vollständigen Aufklärung der genannten Vorwürfe hat Herr Luksic entschieden, die Schirmherrschaft ruhen zu lassen."
Für die Lobby-Expertin Deckwirth geht das allerdings nicht weit genug. Sie forderte eine lückenlose Aufklärung der Vorgänge und stellte weitergehende Konsequenzen in den Raum: "Es stellt sich auf jeden Fall die Frage, ob Herr Luksic weiter als parlamentarischer Staatssekretär geeignet ist."
Der Kraftstoff HVO100 darf seit Ende Mai an Tankstellen in Deutschland angeboten werden. Er gilt als besonders klimafreundlich und soll laut ADAC "in der Gesamtbilanz bis zu 90 Prozent weniger CO2" erzeugen. Allerdings ist der alternative Diesel auch teurer. Man rechne mit 5 bis 20 Cent pro Liter mehr als beim herkömmlichen Diesel namens B7, hieß es vom ADAC. Ein weiterer Nachteil: Bislang sind nur wenige Pkw-Modelle für HVO100 freigegeben.
- Verwendete Quellen:
- Nachrichtenagentur dpa