Nordkoreas mächtige Nummer zwei
Nordkorea-Experte: So gefährlich ist Kim Jong-uns Schwester
- Veröffentlicht: 06.07.2023
- 17:22 Uhr
- Stefan Kendzia
Eher unscheinbar und ein fast mädchenhaftes Erscheinungsbild: Kim Yo-jong. Hinter der unschuldig anmutenden Fassade der rätselhaften Schwester des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un soll sich die mächtigste Frau des Landes, wenn nicht sogar der Welt verbergen.
Das Wichtigste in Kürze
In einem Interview mit dem "Merkur" erklärt ein Nordkorea-Experte, welche Gefahr von Kim Jong-uns jüngeren Schwester ausgeht.
Sie gilt nicht nur als mächtigste Frau Nordkoreas, sondern es könnte auch die mächtigste Frau der Welt sein.
Kim Yo-jong ist eine "Diktatorin, die den Finger auf dem Atomknopf hat".
So scheu. So zerbrechlich. Wenn man die Schwester des nordkoreanischen Machthabers Kim Jog-un sieht, könnte man meinen, sie könne kein Wässerchen trüben. Lee Sung-yoon, ein Nordkorea-Experte, zeichnet in einem Interview mit dem "Merkur" ein völlig konträres Bild dieser Frau. Der renommierte Professor für Koreanistik muss es wissen - er ist Autor des Buches "The Sister", das tiefe Einblicke in die Seele einer ehrgeizigen Frau gewährt, die immer wieder gerne gegen Südkorea oder die USA hetzt.
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Nordkorea ist eine tickende Zeitbombe
"Eine Diktatorin, die den Finger auf dem Atomknopf hat" - dieses Zitat von Nordkorea-Experten Lee Sung-yoo lässt nichts Gutes erahnen. Er spricht hier von Kim Yo-jong, der Schwester des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un. Sie ist aber mehr als das - sie ist die Nummer zwei eines völlig isolierten, verarmten und hungernden Landes - aber auch die Nummer zwei eines gefährlichen Atomstaats. Der Professor für Koreanistik versucht in seinem Buch "The Sister" der Schwester und engsten Vertrauten des Rocketmans, wie ihn Trump einst nannte, näherzukommen.
Der Autor kommt zu dem Schluss, dass Kim Yo-jong nicht nur die mächtigste Frau Nordkoreas ist, sondern auch die der Welt. Ermöglicht hat ihr dieser zweifelhafte Titel die Tatsache, dass sie durch ihren Bruder und den Staat legitimiert sei, den Atomknopf zu drücken, wenn sie das wolle. Gedroht hat sie schon mehrfach damit. Allein das macht Nordkorea so unberechenbar. Denn das Land ist laut Lee Sung-yoo eine tickende Zeitbombe - die Regierung sei wie in einer absoluten Monarchie weder dem Parlament, noch der Öffentlichkeit oder der Justiz rechenschaftspflichtig. Es gibt also keine Gewaltenteilung oder sonstige Kontrolle.
Auch wenn eigentlich Kim Jong-un alle Macht innehat - seine Schwester hat weitreichende Befugnisse. Anders ist es nicht zu erklären, dass sie 2020 mit Ansage ein von Südkorea finanziertes, vierstöckiges Verbindungsbüro in die Luft gejagt haben soll - inklusive Live-Übertragung im TV. Eine Frau, die ihren Worten Taten folgen lässt.
Nordkorea sollte auf keinen Fall unterschätzt werden
Kim Yo-jong ist bestens ausgebildet und genoss ihre Erziehung - wie auch ihr Bruder - in der Schweiz. Sie spricht Englisch, ist weltgewandt und gilt als klug. Das Verhältnis zu ihrem älteren Bruder soll ausgezeichnet sein und könnte sogar eine mögliche Nachfolgerin des derzeitigen Diktators sein: "So genau weiß das natürlich niemand. Aber wenn Kim Jong-un heute sterben würde, dann gäbe es schlichtweg keinen anderen geeigneten Kandidaten als Kim Yo-jong. Der ältere Bruder der beiden hat kein Interesse an Politik, und Kim Jong-uns Kinder sind noch zu jung", so der Professor.
Insgesamt sollten wir uns davor hüten, Nordkorea zu unterschätzen, so Lee Sung-yoo. Schließlich sei Nordkorea "sehr berechnend und sehr manipulativ, sie wissen, wann sie eskalieren können und wann sie ein nettes Lächeln aufsetzen und zu Gesprächen aufrufen müssen. Und sie sehen, was ihnen das bringt: Durch diese Zyklen von Provokationen und Friedensbemühungen hat Nordkorea seit Anfang der 1990er-Jahre 20 Milliarden US-Dollar in Form von Bargeld, Lebensmitteln, Treibstoff und anderen Gütern erhalten. Wenn man sich also die Bilanz ansieht, hat Nordkorea heute Dutzende von Atomwaffen und Hilfe im Wert von über viele Milliarden Dollar. Und was ist mit der anderen Seite, den USA? Die haben nichts, außer einem nuklearen Nordkorea."
- Verwendete Quellen: