Abschuss von russischen Kampfjets ist "bizarr"
Strack-Zimmermann: Wanung vor Eskalation im NATO-Luftraum
- Veröffentlicht: 22.09.2025
- 12:13 Uhr
- Claudia Scheele
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im EU-Parlament, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, kritisiert Forderungen nach einem möglichen Abschuss russischer Kampfjets im NATO-Luftraum als überzogen und plädiert für Besonnenheit.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann hat die jüngsten Äußerungen des CDU-Politikers Jürgen Hardt deutlich kritisiert. Hardt hatte gefordert, russische Luftraumverletzungen notfalls mit einem Abschuss der Flugzeuge zu beantworten. Im Deutschlandfunk bezeichnete Strack-Zimmermann diese Diskussion als "bizarr" und warnte davor, eine Grundsatzdebatte über operative Entscheidungen zu führen. Ein Abschuss sei die Ultima Ratio, erklärte die FDP-Politikerin gegenüber dem Deutschlandfunk und betonte, dass es etablierte Protokolle gebe, um solche Situationen zu entschärfen. Die NATO habe ausgebildete Piloten, die genau darauf vorbereitet sind.
Strack-Zimmermann zeigte sich zudem besorgt darüber, dass Politiker:innen ohne ausreichendes Fachwissen Grundsatzdebatten über operative Entscheidungen der NATO führen. Sie verwies darauf, dass die Allianz über hervorragend ausgebildete Piloten verfüge, die für solche Einsätze bestens vorbereitet seien. Wenn man anfangen würde, darüber zu diskutieren, was ein Pilot wann zu tun hat, bewege man sich in einen Bereich, von dem die Wenigsten wirklich Ahnung haben, so die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses weiter. Sie betonte, dass solche Äußerungen mehr Schaden anrichten könnten, als sie zur Deeskalation beitragen.
Hardts Forderung nach "klarem Stoppschild"
Hardt hatte in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) betont, dass nur eine klare Botschaft an Russland Wirkung zeigen könne. "Der Kreml braucht ein klares Stoppschild", sagte der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion. "Nur eine klare Botschaft an Russland, dass jede militärische Grenzverletzung mit militärischen Mitteln beantwortet wird bis hin zum Abschuss russischer Kampfjets über NATO-Gebiet, wird Wirkung zeigen." Hardt warnte vor einer Eskalation durch Moskau und forderte ein konsequentes Vorgehen der NATO.
Hardt argumentierte, dass Russland ohne klare Antworten immer weiter provozieren werde. Er zeichnete ein düsteres Szenario: "Jetzt sind es Luftraumverletzungen, bald der Beschuss einzelner Ziele, dann kommen russische Soldaten."
Strack-Zimmermann fordert Besonnenheit und bessere Ausstattung
Angesichts der wachsenden Spannungen fordert Strack-Zimmermann, dass sich die NATO-Verbündeten nicht provozieren lassen und auf Deeskalation setzen sollten. "Putin zieht jetzt alle Register, weil seine Erfolge in der Ukraine nicht wie geplant verlaufen", erklärte sie. Gleichzeitig betonte sie die Notwendigkeit, die Bundeswehr schnellstmöglich besser auszustatten, damit Deutschland seinen Verpflichtungen innerhalb der NATO gerecht werden könne. Sie forderte mehr Investitionen in moderne Technologie und eine bessere Vorbereitung auf zukünftige Bedrohungsszenarien.
Die NATO selbst setzt auf den Einsatz neuer Überwachungssysteme wie das türkische "Merops", das es ermöglicht, feindliche Flugzeuge auch bei schlechten Sichtverhältnissen zu orten. Polen und Rumänien sollen mit dem System ausgestattet werden, und ukrainische Kräfte sollen bei der Ausbildung unterstützen. Strack-Zimmermann lobte diese technischen Fortschritte, warnte jedoch davor, sich ausschließlich auf militärische Lösungen zu verlassen: "Diplomatie und gezielte Maßnahmen müssen immer Vorrang haben."
Russische Provokationen und NATO-Reaktionen
Hintergrund der Debatte sind mehrere Vorfälle in der vergangenen Woche, bei denen russische Kampfjets den Luftraum von NATO-Staaten verletzt haben sollen. Besonders der Vorfall in Estland hat für Aufsehen gesorgt: Nach Angaben der estnischen Regierung drangen drei MiG-31-Kampfjets etwa zwölf Minuten lang in den estnischen Luftraum ein, bevor sie von italienischen NATO-Kampfflugzeugen eskortiert wurden. Russland bestreitet die Vorwürfe jedoch und erklärte, die Jets hätten sich auf einer genehmigten Route über internationalen Gewässern befunden.
Die NATO reagierte auf den Vorfall mit einer Dringlichkeitssitzung nach Artikel 4 des NATO-Vertrags. Estland beantragte diese Konsultationen mit den Verbündeten, um das russische Verhalten zu thematisieren und mögliche Gegenmaßnahmen zu besprechen. Der Vorfall ist Teil einer Serie von Provokationen, die zunehmend für Unruhe unter den NATO-Partnern sorgen. Auch Polen meldete kürzlich eine Annäherung russischer Jets an eine Bohrinsel in der Ostsee, was die Spannungen weiter verschärfte.
Luftraumverletzungen als Teil einer größeren Strategie
Die jüngsten Luftraumverletzungen durch Russland könnten Teil einer gezielten Strategie sein, um Spannungen innerhalb der NATO zu schüren. Bereits in der vergangenen Woche hatten russische Drohnen den polnischen Luftraum erreicht, nachdem sie Ziele in der Ukraine angegriffen hatten. Die polnische Luftwaffe reagierte mit der Alarmierung ihrer bodengestützten Abwehrsysteme und dem Einsatz von Kampfflugzeugen.
Strack-Zimmermann sieht in diesen Provokationen einen Versuch Russlands, die Geschlossenheit der NATO auf die Probe zu stellen. Ihre Botschaft: Die NATO müsse geschlossen auftreten und klare, aber besonnene Signale senden, ohne sich auf gefährliche Eskalationen einzulassen. Es gehe darum, Stärke zu zeigen – aber mit kühlem Kopf.
- Verwendete Quellen:
- Deutschlandfunk: "Strack-Zimmermann: Diskussion über Abschuss ist "bizarr""
- Nachrichtenagentur dpa