Teneriffa und Nachbarinseln leiden
Radikaler Protest gegen Massentourismus auf Kanaren: Einheimische planen Hungerstreiks
- Veröffentlicht: 17.04.2024
- 14:25 Uhr
- Christina Strobl
Im vergangenen Jahr erreichte die Anzahl der Tourist:innen auf Teneriffa und seinen Nachbarinseln einen neuen Rekord. Vielen Bewohner:innen reicht es nun.
Das Wichtigste in Kürze
Aktivist:innen auf den Kanarischen Inseln wollen Proteste organisieren, um auf das Problem des Übertourismus aufmerksam zu machen.
Unter anderem sollen Großdemos und Hungerstreiks stattfinden.
Im vergangenen Jahr erreichte die Anzahl der Tourist:innen auf den Kanarischen Inseln einen neuen Rekord von etwa 14,1 Millionen Besucher:innen.
Die weißen Strände und das türkise Wasser locken massenhaft Touristen zum Urlaub auf die Kanaren. Auf der Inselgruppe gilt der Tourismus als das Hauptgeschäft, die Einwohner:innen profitieren ebenso wie die Tourist:innen selbst. Doch viele Einheimische scheinen nun genug von den Touristenmassen zu haben.
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Einheimische müssen in Autos und Höhlen schlafen
Wie "Euronews" berichtet, planen die Kanaren-Bewohner:innen Proteste und Streiks, um gegen den Übertourismus vorzugehen. Aktivist:innen zufolge ruiniert der unhaltbare Zustrom von Urlauber:innen das Leben der Einheimischen in den Urlaubsregionen. Manche Menschen sollen demnach sogar gezwungen sein, aufgrund der stetig steigenden Immobilienpreise in Autos und Höhlen zu schlafen. Dies sagte Ivan Cerdena Molina, der bei der Organisation der Proteste mitwirkt. Im Gespräch mit der lokalen Zeitung "The Olive Press" erklärte er: "Wir haben nichts gegen Individualtouristen, aber die Branche wächst und wächst und verbraucht so viele Ressourcen, dass die Insel damit nicht fertig wird."
Unter anderem deswegen plant eine Aktivistengruppe auf der Insel Teneriffa nun einen Hungerstreik gegen den Bau von zwei neuen Hotels. Der von den Demonstrant:innen organisierte Protest soll bereits kommende Woche stattfinden und den Unmut der Einheimischen verdeutlichen.
Gruppe kündigt historische Proteste an
Unter dem Motto "Die Kanaren haben eine Grenze", plant die für die Proteste verantwortliche Gruppierung Canarias Se Agota (auf Deutsch: "Kanaren ausverkauft") außerdem verschiedene Demonstrationen auf Teneriffa, Gran Canaria, Lanzarote und La Palma. Diese sollen am kommenden Samstag, (20. April) stattfinden.
Die Gruppe stellte "einen der größten Proteste in der Geschichte der Region" in Aussicht. Damit sollen verschiedene Ziele erreicht werden, wie beispielsweise ein Baustopp für Hotels und Golfplätze, die Einführung einer Übernachtungssteuer, wie es sie schon länger etwa auf den Balearen oder in Barcelona gibt, sowie eine bessere Regulierung der Ferienwohnungen.
Gefordert wird auch eine Diversifizierung der Wirtschaft mit einer stärkeren Förderung von Industrie und Landwirtschaft, um nicht mehr so stark vom Tourismus abhängig zu sein. Die Branche macht 35 Prozent des kanarischen Inlandsprodukts aus und beschäftigt 40 Prozent aller arbeitenden Menschen.
Aktivist:innen wollen "nachhaltigen Tourismus"
Ruben Zerpa von Canarias Se Agota sagte der britischen Zeitung "i": "Wir auf diesen Inseln waren immer sehr gastfreundlich gegenüber Touristen. Aber wir wollen einen nachhaltigeren Tourismus." Teneriffa sei aber eine kleine Insel mit begrenzten Ressourcen. "Die Straßen sind mit dem Verkehr überlastet, es gibt einen Wassernotstand und die Hotels sind voll", so Zerpa.
Der Aktivist fügte hinzu, der Tourismus habe die Mietpreise derart in die Höhe getrieben, dass es für viele Einheimische unbezahlbar geworden ist, eine Wohnung zu halten: "Ich verdiene etwa 900 Euro und lebe mit meinem Partner zusammen, aber die Miete beträgt 800 Euro pro Monat. Und das in Santa Cruz, das nicht einmal zu den teuersten Gegenden der Insel gehört", schilderte er.
Falsche "Betreten verboten"-Schilder sollen Tourist:innen abschrecken
Doch nicht nur die aktiv Demonstrierenden zeigen ihren Unmut gegenüber dem Massentourismus in ihrer Heimat: Anwohner:innen sollen gefälschte Plakate und Aufkleber mit der Aufschrift "Wegen Überfüllung geschlossen" oder "Betreten verboten" an verschiedenen Touristen-Hotspots angebracht haben, um Urlauber:innen abzuschrecken. Zudem sollen in der Nähe beliebter Attraktionen Antitourismus-Graffiti aufgetaucht sein. Es waren Sprüche wie "Mein Elend ist dein Paradies" und "Tourist, geh nach Hause" zu lesen.
Die spanischen Kanaren, zu denen die Inseln Teneriffa, La Palma, La Gomera, El Hierro, Gran Canaria, Fuerteventura und Lanzarote gehören, sind eine der beliebtesten Reiseregionen der Welt: Im Jahr 2023 verzeichnete die Inselgruppe etwa 14,1 Millionen ausländische Besucher:innen - ein neuer Rekord für die Urlaubsinseln.
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34 Prozent der Einheimischen sind von Armut bedroht
Fast 34 Prozent der lokalen Bevölkerung, was circa 800.000 Menschen entspricht, sind von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht, wie ein Bericht von "Ecologists in Action" warnte. Der Zustrom von Urlauber:innen auf die Kanaren setze außerdem das Gesundheitswesen, die Abfallwirtschaft, die Wasserversorgung und die biologische Vielfalt unter Druck.
- Verwendete Quellen:
- Nachrichtenagentur dpa
- "The Olive Press": "Exclusive: What's Behind the Anti-Tourism Graffiti in Spain? Locals in Tenerife give their verdict as they insist "it's nothing personal against tourists""