Geplatzte Wahl - (k)ein Drama?
Was der Fall Brosius-Gersdorf über die neue Koalition aussagt - hier im Video anschauen
- Veröffentlicht: 15.07.2025
- 14:55 Uhr
- Emre Bölükbasi
Ein geplanter Personalwechsel am Bundesverfassungsgericht ist vorerst überraschend gescheitert. Der Streit um die SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf offenbart Spannungen, die der Koalition der Mitte früh zu schaffen machen.
Die geplante Wahl von drei neuen Verfassungsrichter:innen schien sicher – bis die Vorwürfe an SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf die Personalien zunächst scheitern ließen. Noch am Tag der geplanten Wahl kam es in der Unionsfraktion zu massivem Widerstand gegen die Juristin. Die Abstimmung im Bundestag wurde daher überraschend vertagt. Damit zeigt sich früh ein Konflikt, der die neue Koalition der Mitte belastet.
Im folgenden Joyn-Video erfahren Sie, wie Expert:innen und die Politik den Eklat bewerten:
Brosius-Gersdorf vertritt aus Sicht mancher Unions-Mitglieder teilweise umstrittene Positionen zu sensiblen Themen: Es gebe beim Thema Abtreibung "gute Gründe" dafür, die volle Garantie der Menschenwürde erst ab der Geburt anzusetzen. Diese Sichtweise stößt in Teilen der Union auf heftige Ablehnung. Ihre Befürwortung eines möglichen AfD-Verbotsverfahrens - unter der Bedingung, dass es "genug Material" gebe - und ihre Unterstützung der Corona-Impfpflicht sorgen für Spannungen in konservativen Kreisen.
Juristin wehrt sich gegen Vorwürfe
Am Dienstag (15. Juli) wies die Juristin jedoch die gegen sie erhobenen Vorwürfe zurück. In einem der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vorliegenden Schreiben wirft sie den Medien teilweise eine "unzutreffende und unvollständige, unsachliche und intransparente" Berichterstattung über ihre Person vor. "Die Bezeichnung meiner Person als 'ultralinks' oder 'linksradikal' ist diffamierend und realitätsfern", so die Staatsrechtlerin.
Brosius-Gersdorf weist zudem die Darstellung entschieden zurück, sie habe sich für eine Legalisierung oder Straffreiheit von Schwangerschaftsabbrüchen bis zur Geburt ausgesprochen – solche Behauptungen seien unzutreffend und verunglimpfend. Auch ihre Haltungen zu einem möglichen Kopftuchverbot und zu Paritätsmodellen bei Bundestagswahlen seien in der öffentlichen Debatte falsch wiedergegeben worden.
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Kein "Drama", aber "empfindliche Niederlage"
Für Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder ist die Situation "kein Drama". "Was jetzt in den letzten Tagen passiert ist, ist ja wirklich das Waschen schmutziger Wäsche, das Einlassen auf Ressentiments und Emotionen", erklärte er gegenüber :newstime. Gemeint sind die Vorstöße aus rechten und konservativen Kreisen, Brosius-Gersdorf nicht zu wählen.
Der Experte sieht in der vertagten Wahl statt eines Dramas "eine empfindliche Niederlage". "Aber eine, aus der man lernen kann." Zur Rolle von Unionsfraktionschef Jens Spahn sagt Schroeder: "Er hat nicht so gearbeitet, seriös, wie es notwendig wäre. In diesem Sinne hat er in Zukunft ein Problem, wenn er in schwierige Verfahren hineinkommt, weil man nicht so genau weiß: Ist ihm da wirklich zu trauen? Macht er seine Arbeit solide?"
SPD zeigt sich optimistisch
SPD-Vizefraktionschefin Sonja Eichwede bleibt trotz des Streits optimistisch: "Ich glaube, das sind Missverständnisse, die man wahrscheinlich durch ein Miteinander, durch ein Gespräch aus dem Weg räumen kann", sagte sie gegenüber :newstime.
Die SPD will an Brosius-Gersdorf festhalten und keinen Rückzug akzeptieren. Dennoch ist klar, dass die Koalition, die mit dem Anspruch angetreten ist, für Stabilität und Zusammenhalt zu stehen, einen frühen Belastungstest aushalten muss. Die Frage bleibt, ob der Konflikt um Brosius-Gersdorf zum Warnsignal wird oder die Koalition daraus gestärkt hervorgeht.
- Verwendete Quellen:
- Nachrichtenagentur dpa