Experten-Bericht zeigt Mängel auf
Wo ist man im Fall eines Kriegsausbruchs sicher?
- Aktualisiert: 05.06.2024
- 15:46 Uhr
- Kira Born
Die Sicherheitslage in Europa hat sich verändert und wirft die Frage auf: Ist Deutschland im Zivilschutz bereit für den Ernstfall?
Das Wichtigste in Kürze
Laut der Analyse eines Expert:innen-Gremiums ist Deutschland bei Schutzräumen im Kriegsfall nicht ausreichend aufgestellt.
In modernen Kriegen seien große Bunker-Anlagen "keine geeignete Schutzmaßnahme" mehr, wie die Arbeitsgruppe feststellt.
Die Expert:innen empfehlen im Inneren von Häusern oder im Keller Schutzräume einzurichten.
Wo soll man im Fall eines Luftangriffs oder ähnlichem Schutz suchen? Theoretisch in einem Schutzraum. Doch laut eines Expert:innen-Berichts "Sachstandsbericht zur Entwicklung eines modernen Schutzraumkonzepts" im Auftrag des Innenministeriums ist Deutschland im Zivilschutz nicht ausreichend gewappnet. Zum aktuellen Stand gibt es laut des Papiers nur rund 580 einsatzfähige Bunker, in denen nur Platz für 470.000 Menschen ist – nicht annähernd genug für über 80 Millionen Bundesbürger:innen.
Hinzukommt, dass durch moderne Waffentechniken Sammelbunker, wie es sie im 2. Weltkrieg gab, nicht viel zum Schutz der Bevölkerung beitragen können. Die Expert:innen schlagen daher in ihrem Bericht vor, auf den privaten Ausbau von "Hausschutzräumen" für den Ernstfall zu setzen.
Gegen moderne Präzisionswaffen […] sind zentral gelegene öffentliche Schutzräume für mehrere hundert oder tausend Menschen keine geeignete Schutzmaßnahme.
Expert:innen-Papier des Bundesinnenministeriums
Sicherheitsrisiken erfordern Ausbau des deutschen Schutzraum-Konzepts
Durch wachsende Sicherheitsrisiken, besonders seit Russlands Angriff auf die Ukraine, empfiehlt ein aktueller Bericht einer Arbeitsgruppe aus Expert:innen des Bundesinnenministeriums, des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz (BBK) und der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben Optionen für ein bundesweites Schutzraumkonzept, wie die "Süddeutsche Zeitung" und der "Spiegel" berichten.
Eine Feststellung des Berichts ist, dass das Schutzraumkonzept für die Zivilbevölkerung in Deutschland überarbeitet werden muss, da "[e]ine militärische Bedrohung des Nato-Bundesgebietes real möglich" sei.
Doch macht der Bericht klar, dass ein Angriff auf Ziele in Deutschland “sehr unwahrscheinlich“ sei. Im Ernstfall seien Schläge auf verteidigungsrelevante Anlagen, Regierungs- und Verwaltungsgebäude oder die kritische Infrastruktur denkbar.
Empfehlung für Zivilbevölkerung: "Selbstschutzräume"
Im Gegensatz zur Schutzstrategie im Zweiten Weltkrieg oder Kalten Krieg empfehlen die Expert:innen langfristig den "Gebäudebestand in Deutschland" durch "Hausschutzräume zu ergänzen". Anstelle von zentralen Bunker-Anlagen, sollen in Wohnungen, Betriebsgebäuden oder öffentlichen Einrichtungen Schutzräume mit eingeplant werden oder nachträglich nachgerüstet werden. Die außergewöhnliche Empfehlung ist auch der Ausbau der eigenen Kellerräume für Hauseigentümer. Wichtig sei auch eine "provisorische Abdeckung von Kellerfenster- und Öffnungen" vorzunehmen, wie es in dem Papier heißt.
Darüber hinaus böte sich im urbanen Kontext auch der Schutz in Kaufhäusern, Tiefgaragen, U-Bahnstation, Tunnel oder vorhandenen Schutzräumen an. Räumlichkeiten unterhalb der Erdoberfläche könnten "bereits heute vor einem Teil der anzunehmenden Gefahren" Schutz bieten. Deshalb appelliert der Bericht, auf freiwilliger Basis Schutzeinrichtungen in Kellern oder im Inneren des Hausses nachzurüsten.
Grund für den Appell: "[G]egen moderne Präzisionswaffen, die gezielt einzelne kriegsrelevante Objekte zerstören und bei deren Angriff nur wenige Minuten Vorwarnzeit verbleiben, sind zentral gelegene öffentliche Schutzräume für mehrere hundert oder tausend Menschen keine geeignete Schutzmaßnahme". Die moderne Kriegsführung würde keine flächendeckenden Bombardements mehr durchführen. "[M]it Modernen, äußerst präzisen Waffentechnologien wie Raketen oder Drohnen" würden fokussiert Ziele angegriffen, wie es in dem Bericht heißt.
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Pläne für Aufrüstung: Bunker-System nicht neu
Neu ist die Forderung nach dem Ausbau des Schutzraum-Netzes nicht. Schon 2007 hatte der damalige Minister Wolfgang Schäuble (CDU) auf "veränderte Bedrohungsszenarien" hingewiesen, die einen Ausbau des Schutzraumkonzeptes bedürfen. Nun sind von ehemals 2.000 öffentlichen Bunkern nur noch 579 Bunkeranlagen einsatzfähig, wie "t-online" und "Süddeustche Zeitung" berichten.
Zur Diskussion soll die Analyse der Arbeitsgruppe am 19. Juni auf der Frühjahreskonferenz in Potsdam stehen. Hier soll über weitere Schritte beraten werden.
- Verwendet Quellen:
- "SZ.de": Experten: "Experten empfehlen Schutzräume in deutschen Gebäuden"
- "t-online.de": "Falls Krieg ausbricht – hier sind Sie nicht sicher"
- "Spiegel.de": "Keller statt Bunker – wo die Deutschen im Kriegsfall Schutz suchen sollen"